Maskerade in Rampstade (German Edition)
genannt?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich habe ›Bande‹ gesagt. Ich weiß auch nicht, wie man das nennt bei solchen Leuten. Ich dachte ›Bande‹ sei das richtige Wort.«
Zu meiner Verwunderung versetzten meine Worte die Dame zuerst in offensichtliches Erstaunen. Und dann fing sie an zu lachen. Und sie lachte und lachte und schien sich gar nicht beruhigen zu können. Da ich den Grund für ihre Erheiterung nicht kannte und sie anscheinend auch nicht gewillt war, mir diesen zu verraten, kam ich mir reichlich albern vor. Daher war ich froh, als kurz darauf der würdige Butler eintrat und verkündete, die Kutsche sei für die Reise bereit.
Lady Sylvia erhob sich und wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln.
»Auf Wiedersehen, Sophia«, sagte sie, während sie mir die Hand zum Abschied reichte. Angesichts der Anwesenheit des Butlers fiel sie wieder in das vertraute ›du‹.
»Es hat mir wirklich Freude gemacht, mit dir zu plaudern. Entschuldige meinen Lachanfall. Glaube mir, das hatte gar nichts zu bedeuten.« Sie küßte mich auf beide Wangen, während ich mich beeilte, mich für die Gastfreundschaft und das hervorragende Frühstück zu bedanken.
»Gute Reise, meine Liebe«, sagte sie darauf. »Und grüße Jojo von mir.«
»Aber ich weiß doch nicht, ob ich ihn je wiedersehe«, entgegnete ich seltsam beklommen.
»Aber sicher wirst du das, sei unbesorgt«, antwortete sie.
VI.
Wie sich herausstellte, hatte uns der Stallmeister von Lord Cristlemaine nicht nur einen seiner Burschen als Kutscher zur Verfügung gestellt, sondern auch veranlaßt, daß die beiden Pferde, die beim letzten Pferdewechsel angeschirrt worden waren, zur Poststation zurückgebracht werden. An ihrer Stelle wurden unserem Gefährt zwei Rotfüchse vorgespannt Ein Blick auf diese Pferde, und ich wußte, daß diese ein schnelleres Tempo vorlegen würden als die beiden Mietgäule.
Ich suchte vor der Abreise noch schnell Harry auf, um mich zu vergewissem, daß es ihm an nichts fehlte. Dem Guten ging sein Mißgeschick so zu Herzen, daß er sich in einem fort dafür entschuldigte, daß er uns nicht zu unserem Ziel kutschieren konnte. Es dauerte einige Zeit, bis ich ihn beruhigt hatte und bis er mir glaubte, daß ich ihm nicht die Schuld an dem gestrigen Unfall anlastete und ich ihm nicht im geringsten böse war. So war es erst um die Mittagszeit, als Mally und ich endlich wieder in unserer altersschwachen Kutsche Platz nehmen konnten. Ich hatte insgeheim gehofft, daß es Jem sei, der mit uns kommen würde. Doch es war ein kleiner, drahtiger, älterer Stallbursche, der Conrad hieß. »Ist Jem in der Nähe?« fragte ich ihn, bevor er auf den Kutschbock stieg. »Ich wollte mich gerne bei ihm für seine Hilfe bedanken.«
»Ne, Jem ist nicht da«, lautete die Antwort. »Weiß nicht, wo er steckt. Hab’ ihn seit gestern nicht mehr gesehen.«
Ich konnte mir gut vorstellen, wo sich Jem in diesem Augenblick befand. Sicher begleitete er Jojo gerade auf einem seiner Raubzüge. Oder war es zu riskant, bei hellichtem Tag Raubüberfälle zu begehen? Vielleicht wollte es der Zufall, und sie überfielen gerade unsere Kutsche, dachte ich amüsiert.
»Ist gar nicht weit bis zum Palace«, meinte Conrad. »Mit einem schnellen Pferd kann man’s in einer guten halben Stunde schaffen. Allerdings nur, wenn man querfeldein reitet Auf der Straße dauert’s erheblich länger, weil die so viele Kurven macht Und außerdem führt sie außen am Gut vom alten Fishmakervorbei. Na ja, und mit dem wackeligen Gefährt, Sie verzeihen schon, Madame, ist es auch besser, man geht’s nicht allzu scharf an, sonst bricht es am Ende noch auseinander.«
Das wollten wir natürlich nicht riskieren, und so fügte ich mich darein, den Rest des Weges im Schrittempo zurückzulegen. Die Landschaft, die langsam am Kutschenfenster vorbeizog, war ungewöhnlich malerisch. Das Laub an den Bäumen leuchtete in den intensiven Farben des Herbstes.
»Das gehört noch alles zu Grandfox Hall«, erklärte Conrad. »Wir fahren sicher noch zwei Stunden auf unserem Land. Dabei ist die größte Ausdehnung der Ländereien gar nicht auf der Ostseite, sondern drüben im Westen. Dort erstreckt es sich direkt bis zum Land, das zu Rampstade gehört.«
»Die beiden Ländereien grenzen direkt aneinander?« fragte ich überrascht.
Conrad nickte: »Ja, drüben im Westen tun sie’s. Hier im Osten ist noch der Landsitz des alten Hshmaker dazwischen. Ist eher ein kleines Anwesen. Aber der alte Kauz
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