Maskerade in Rampstade (German Edition)
und lehnte sich erleichtert in seinem Stuhl zurück. »Das hätten wir wieder einmal überstanden. War es sehr schlimm für dich, Sophia?«
Ich warf ihm einen warnenden Blick zu und deutete auf den Lakaien, der immer noch im Raum war und sich an den Gläsern, die auf dem Beistelltischchen standen, zu schaffen machte. Er schien zwar völlig in seine Arbeit vertieft zu sein, und doch hatte ich das sichere Gefühl, daß er mit gespitzten Ohren unserer Unterhaltung lauschte.
»Es ist gut, Winston«, sagte George, der meinen Blick richtig gedeutet hatte. »Wir kommen alleine zurecht. Wir läuten, wenn wir Hilfe brauchen.«
Winston verbeugte sich korrekt und verließ das Zimmer.
»Ich kann mir nicht helfen, ich mag die alte Dame«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Ich finde sie originell und für ihr Alter geistig bewundernswert rege.«
»Du magst sie!« rief die sonst so ruhige Hetty leidenschaftlich aus. »Du ahnst ja nicht, wie sehr ich mich vor ihr fürchte! Stell dir vor, als ich sie das erste Mal sah…« An dieser Stelle wurde sie durch George unterbrochen, der unter lautem Klirren seineTeetasse auf den Unterteller stellte. Hetty ließ sich jedoch davon nicht beirren. »Als ich sie nach so langer Zeit das erste Mal wieder sah, da hat sie mich mit ihrer schroffen Art richtig in Angst und Schrecken versetzt Sie ist so dominant, so brüsk…«
»Aber, meine liebe Schwester«, unterbrach George sie abermals, »du wirst dich doch nicht wirklich vor deiner eigenen Großmutter fürchten.«
»Aber du tust es doch auch!« rief Hetty aus.
Ich hatte keine Lust, den Streit der Geschwister eskalieren zu lassen und fragte daher: »Was für einen Ball meinte die Herzogin?«
George war sofort abgelenkt und wandte sich wieder mir zu. Auch Hetty lauschte interessiert. »Großmutter hat am sechsundzwanzigsten September Geburtstag. Und es ist Tradition, daß an einem Tag rund um dieses Datum ein Ball auf Rampstade Palace stattfindet. Ein Maskenball, genauer gesagt.«
»Oh, wie aufregend!« rief Hetty aus.
»Ein Maskenball mitten im September?« fragte ich erstaunt.
»Diese Tradition geht auf Großmutters Vorliebe sich zu verkleiden zurück. In ihrer Jugend soll sie eine wahre Leidenschaft für Maskenbälle entwickelt haben. Großvater, so hat man mir erzählt, wollte seiner Gemahlin zu ihrem dreißigsten Geburtstag eine besondere Freude machen und organisierte heimlich einen Maskenball. Und diesen gibt es jetzt seit beinahe fünfzig Jahren. Bisher ist er nur einmal ausgefallen. Das war vor zwölf Jahren, als Großvater, Mutter und Tante Anne in einem Jahr starben. Und dieses Jahr dachten wir, daß sich Großmutter zu schwach fühlen würde, ein derartiges Fest abzuhalten. Aber wie du siehst, haben wir die alte Dame unterschätzt. «
»Verfügt Rampstade Palace auch über einen Ballsaal?« wollte Hetty wissen und ihre Wangen glühten vor Begeisterung.
»Aber natürlich, hast du das vergessen, Hetty? Der Ballsaal befindet sich im linken Flügel. Er hat eine breite Terrassentür ins Breie. Wenn es das Wetter erlaubt, werden bunte Lampions im Park aufgehängt, und die Tanzpaare können auf den Kieswegen promenieren.«
»Wie romantisch!« rief Hetty überschwenglich.
»Wie viele Leute werden eingeladen?« wollte ich wissen und dachte an die Einladungskarten, die wir zu schreiben haben würden.
»Oh, Myladys gesamter Freundeskreis mit ihren Kindern und Enkelkindern. Sowie nahezu alle Adligen aus der Umgebung. Es sind jedesmal sicher mehr als dreihundert Gäste.«
»Mehr als dreihundert Gäste! Und der Ball soll in etwa vierzehn Tagen stattfinden? Wie sollen wir denn das jemals schaffen?«
Aber meine Bedenken erwiesen sich als grundlos. Es klappte alles wie am Schnürchen. Allerdings hatten George, Hetty, Miss Heather und ich in den nächsten Tagen alle Hände voll zu tun. Zum Glück stand uns ein ganzes Heer an dienstbaren Geistern zur Verfügung. Die meisten gehörten schon seit Jahren zum herzoglichen Haushalt und kannten jeden Handgriff, der von ihnen für das bevorstehende Ereignis erwartet wurde. Und doch mußten sie organisiert und beaufsichtigt werden. Ihre Gnaden selbst trat in dieser Zeit der hektischen Vorbereitungen kaum in Erscheinung. Sie zog es vor, die Tage mit ihrer Kammerfrau in ihrem Zimmer zu verbringen oder kurze Spaziergänge im Park zu unternehmen. Mrs. Plusbellow hatte es auch Übernommen, ihrer Herrin vorzulesen, denn Miss Heather, die üblicherweise für die Unterhaltung ihrer Cousine zuständig war,
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