Maskerade in Rampstade (German Edition)
Schönheitspflästerchen zu tragen, wie sie im vorigen Jahrhundert der letzte Schrei gewesen waren. Mein Kleid würde hauteng die Taille umschließen und in einem weiten, bauschigen Rock zu Boden fallen. Dazu würde ich eine silberne Maske tragen. Obwohl ich eigentlich eine Augenmaske für entbehrlich hielt, da mich auf diesem Fest ohnehin niemand kennen würde.
Als ich George diesen Einwand vortrug, war leider auch Miss Heather zugegen gewesen. Diese war sofort in einen Sturm von Entrüstung ausgebrochen: Natürlich müßte ich eine derartige Maske tragen. Schließlich würden doch gerade diese Augenmasken so einen Ball erst wirklich aufregend machen. Punkt Mitternacht würde die Demaskierung stattfinden, und erst ab diesem Zeitpunkt sei es gestattet, sich ohne Maske im Tanzsaal aufzuhalten.
Trotz der zahlreichen Vorbereitungen durfte nicht vergessen werden, ein Geburtstagsgeschenk für die Herzogin zu erstehen. Die Wahl fiel uns allen nicht leicht, da die alte Dame bereits alles zu besitzen schien. Dinge, die ihr fehlten, ließ sie sich ohne Zögern besorgen. Wir überlegten angestrengt, womit wir ihr trotzdem eine Fireude machen konnten. Die Geschwister und ich waren übereingekommen, der alten Dame die Geschenke einen Tag vor dem Ball, also an ihrem eigentlichen Geburtstag, im Rahmen einer kleinen Familienfeier zu überreichen. Während Hetty die verbleibenden Abende dafür nützen wollte, drei feine Batisttaschentücher für ihre Großmutter zu besticken, entschied sich George für ein Buch, das kürzlich erschienen war. Es handelte sich dabei um einen Roman mit geschichtlichem Hintergrund. Miss Heather hatte ihm den Hinweis gegeben, daß sich Ihre Gnaden für derartige Bücher interessierte.
Ich war zuerst völlig ratlos. Nach längerem Suchen fand icheines Nachmittags jedoch durch Zufall das Passende. In einem kleinen Geschäft, das versteckt in einer Seitengasse von York lag, war in der kleinen Auslage eine kunstvolle Porzellanfigur ausgestellt. Sie zeigte eine Tanzgruppe, die in die eleganten Kostüme des vorigen Jahrhunderts gekleidet waren und die allesamt Augenmasken trugen. In Begleitung von Hetty betrat ich den Laden. Der Inhaber war sehr zuvorkommend und erklärte, es würde sich bei der Tanzgruppe um eine Handarbeit aus der sächsischen Manufaktur in Meißen handeln. Die Figur war natürlich ziemlich kostspielig, und doch erstand ich sie ohne lange zu zögern. Sie schien mir für den Anlaß einfach zu passend, als daß mich der Preis hätte abschrecken können.
Und dann brach also der große Tag an. Bereits am Vortag waren einige Verwandte und Freunde der Herzogin eingetroffen. Die einen hatten ihr Quartier im Schloß bezogen, andere mußten zu den Unterkünften in benachbarten Landsitzen oder in den Gasthäusern gebracht werden. Die Herzogin zog es weiterhin vor, ihr Zimmer nicht zu verlassen, und so blieb es Miss Heather, Hetty, George und mir überlassen, uns um die Gäste zu kümmern. Während George mit einer Gruppe junger Männer zum Angeln ging, hatte Hetty, die eine geübte Reiterin war, eine andere Gruppe der Gäste zu einem Ausritt mitgenommen. Die älteren Herrschaften blieben im Palace oder spazierten durch die weitläufigen Gartenanlagen, während ich hin und her lief, um die letzten Vorbereitungen zu treffen.
Nach dem Mittagessen ließ die Herzogin ihren Enkel und mich zu sich rufen. Wir waren gerade damit beschäftigt gewesen, die Lampions für den Garten auszuwählen. Einige Burschen, die diese in den Bäumen befestigen sollten, standen untätig herum und warteten auf unsere Anweisungen. Die Unterbrechung kam uns daher äußerst ungelegen. Doch George war der Überzeugung, daß man seine Großmutter unmöglich warten lassen konnte. Wir rechneten damit, daß sie uns nur ein paar Fragen zum Fortgang der Vorbereitungen stellen oder uns irgendwelche Anregungen geben wollte, und daß wir in Kürzewieder zw unserer Arbeit zurückgehen könnten. Keiner von uns beiden war daher auf das vorbereitet, was uns im Zimmer der Hausherrin erwartete.
»Na, wie geht’s voran?« fragte die alte Dame, die gebieterisch auf einem breiten Diwan thronte, ihre Beine in eine dicke Decke eingeschlagen. Die Frage war, wie es schien, rein rhetorisch gewesen, denn auf eine Antwort wurde nicht gewartet. Statt dessen schickte sie sowohl ihre Kammerfrau als auch ihre Cousine aus dem Zimmer. Wir hatten Mylady an diesem Tag noch nicht gesehen, und eine kleine Geburtstagsfeier sollte erst am Abend stattfinden. So
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