Maskerade in Rampstade (German Edition)
eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Ich wußte, daß hier nur einer gemeint sein konnte! Jojo war ungefähr dreißig, er war mittelgroß und dunkelhaarig. Jonathan Joblins. Das »Jojo« waren jeweils die ersten beiden Buchstaben seines Vor- und seines Nachnamens.
O Gott! Ob er wohl wußte, daß man nach ihm fahndete?Sollte ich ihn suchen und zur Flucht überredend Ich konnte nicht glauben, daß er sich wirklich gemeiner Verbrechen schuldig gemacht hatte.
»Was meinst du dazu, Sophia?« unterbach George jäh meine Gedanken.
Ich kehrte schuldbewußt in die Wirklichkeit zurück. »Aber Sie sind ja ganz blaß geworden, Madaml« rief die Wirtin aus und musterte mich mit neugierigen Blicken. Ich mußte mich zusammennehmen.
»Ich habe plötzlich rasende Kopfschmerzen. Die Vorbereitungen sind mir wohl ein bißchen zuviel geworden. Wenn ich mich kurz niedersetze, wird es mir sicher bald wieder bessergehen«, erklärte ich daher und bat um ein Glas Limonade. Dieses wurde umgehend serviert, und da George bereits alles geregelt hatte, konnten wir gleich darauf unsere Pferde besteigen und nach Rampstade zurückreiten.
In der darauffolgenden Nacht erwachte ich schweißgebadet. Ich hatte von Jojo geträumt. Ich hatte deutlich vor mir gesehen, wie man ihn festnahm. Zwei Offiziere zerrten den Widerstrebenden mit brutaler Härte zu einer wartenden Kutsche. Jojos Blick in seinem schmerzverzerrten Gesicht war auf mich gerichtet gewesen, während er unentwegt verzweifelt meinen Namen rief. Ich setzte mich im Bett auf und bemerkte, wie meine Hände zitterten.
An Schlaf war nicht mehr zu denken. Vielleicht würde es mich beruhigen, wenn ich ins Eßzimmer ging, wo ständig frischer Fruchtsaft bereitstand. Bin Glas davon würde mir sicher guttun.
Ich schlüpfte in meine Filzpantöff eichen, streifte meinen Morgenmantel über und schlich auf den Gang hinaus. Alles war ganz ruhig. Und doch schien ich nicht die einzige zu sein, die in dieser Nacht schiecht schlief. Denn im selben Augenblick, als ich aus meinem Zimmer trat, betrat auch George, in einen wein-roten Morgenmantel mit Paisleymuster gehüllt, den Gang. Wenn mich mein Gedächtnis nicht trog, kam er geradewegs aus dem Zimmer seiner Schwester. Daß ich ihn dabei antraf, warihm sichtlich peinlich. Er lief feuerrot an und beeilte sich zu erklären: »Hetty hatte Alpträume. Ich bin aufgewacht, weil ich sie schreien hörte. Jetzt hat sie sich wieder beruhigt. Ich hoffe, du bist nicht durch ihr Schreien wach geworden.«
Ich beruhigte ihn und sagte, daß ich bloß durstig sei und mir ein Glas Fruchtsaft holen wollte. Darauf wünschten wir uns eine gute Nacht, und George suchte sein eigenes Zimmer auf, das, an meinem Zimmer vorbei, noch ein gutes Stück den Gang hinauf lag.
IX.
Die folgenden Tage waren so mit Arbeit ausgefüllt, daß ich keine Zeit hatte, länger an Jojo und seine Probleme zu denken. Musiker mußten engagiert werden. Mit dem Koch waren die Einzelheiten für das kalte und warme Buffet zu besprechen. Es wurden Burschen und Mädchen aus dem nächsten Dorf geholt, die in der Küche an die Hand gehen sollten. Das Buffet würde in einem eindrucksvollen Saal aufgebaut werden, der sich an der äußersten Ecke des linken Flügels befand, und in dem mehr als zweihundert Leute gleichzeitig Platz finden würden. Hetty, die ein fast ebenso großes Talent im Stecken von Blumenarrangements bewies, wie meine Schwägerin Elizabeth zu Hause in Winchester, wurde eingeteilt gemeinsam mit den Gärtnern die Ausgestaltung der Säle mit Blumen zu übernehmen. Mehrmals fuhr ich mit dem Koch und der Haushälterin nach York, um Fleisch, Brot und Gemüse zu bestellen. Auch der Weinhändler mußte aufgesucht werden und der Konditor, der die mehrstökkige Geburtstagstorte liefern sollte.
Dazu kam, daß ich ein Kostüm anfertigen lassen mußte. Ich war dazu mit Hetty bei einer der besten Schneiderinnen von York gewesen. Hetty bestand darauf, dem Ball als Aphrodite beizuwohnen. Meine Einwände, daß ich mir diese griechische Göttin der Liebe eigentlich immer dunkelhaarig vorgestellt hatte, ließ sie nicht gelten. Ich selbst entschied mich nach längeremUberlegen für ein Rokoko-Kostüm. Die Schneiderin hatte dafür einen bezaubernden Stoff in ihrem Atelier. Ein hauchdünnes Gewebe in Silber, das bei jeder Bewegung funkeln würde, als sei es mit Tausenden von Diamanten besetzt. Meine Haare würde ich unter einer gepuderten Perücke verstecken. Die Schneiderin riet mir, ein paar
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