Maskerade in Rampstade (German Edition)
Pfad durch das Dickicht.
XV.
Der nächste Tag sollte für George eine herbe Enttäuschung bringen. Wir saßen beim Frühstück und bemühten uns, ein zwangloses Gespräch aufrechtzuerhalten. Miss Heather hatte sich zu uns gesellt, und so waren wir gezwungen die Farce weiterzuspielen. Hetty war wieder ganz die liebende Schwester, Georgeder aufmerksame, sie neckende Bruder. Ich, die etwas ins Abseits geschobene Verlobte, betrachtete das Spiel der beiden mit zunehmendem Widerwillen.
Miss Heather schien nichts Außergewöhnliches aufzufallen. Langsam, mit kleinen Schlückchen trank sie ihren Tee, und ebenso aufreizend langsam aß sie kleine Bissen von Toast und Schinken. Dabei unterhielt sie uns mit den neuesten Kochrezepten, die sie mit der Frau des Pfarrers ausgetauscht hatte und fragte Hetty und mich, ob wir dachten, daß Marmelade haltbarer würde, wenn man einen Schuß Zitronensaft beim Kochen unterrührte. Hetty warf mir aus großen Augen einen hilfesuchenden Blick zu. Auch ich wußte keine Antwort. Doch diese war bei Miss Heather ohnehin nicht notwendig. Denn sie ließ ihren Gesprächspartnern höchst selten Zeit, auch nur ein Wort einzuwerfen. Auch diesmal war ihre Frage rein rhetorisch gewesen, denn sie beschäftigte sich bereits wieder mit einem Brief, den sie von ihrer angeheirateten Cousine Lina erhalten hatte, der Frau ihres verstorbenen Cousins William. Der Mutter des Mädchens, das zu heiraten Max sich unverständlicherweise geweigert hatte. Welch ein Zufall es doch sei, daß wir gerade kürzlich von William gesprochen hatten, und jetzt war sein Brief gekommen! Und wie eigentlich die Laudanumtropfen in der heißen Milch gewirkt hatten?
Und auch diesmal war ich nicht gezwungen zu antworten, denn sie sagte, daß man ja sehe, daß sie gut gewirkt hatten. Ich sähe aus wie das blühende Leben!
»Das hast du über Onkel William auch gesagt, und kurz darauf ist er gestorben«, erinnerte sie ihr Großneffe, ebenso präzise wie frech.
Damit war seine Tante jedoch nicht zum Schweigen zu bringen.
»Du schlimmer, schlimmer Junge«, sagte sie und hob, mit schelmischem Lächeln, den rechten Zeigefinger. »Das mit William war eine ganz andere Geschichte. Und überhaupt ist er nicht gestorben, weil ich sagte, er sähe aus wie das blühende Leben, sondern obwohl ich es sagte. Und was Sophia betrifft,meine ich natürlich nicht … nichts dergleichen. Sondern ich wollte damit nur ausdrücken, daß du, mein Neffe, dich glücklich schätzen kannst, so eine Augenweide zur Verlobten zu haben …«
In dieser Tonart ging es weiter, und es war George anzusehen, daß er gerne die Tafel aufgehoben hätte. Er rutschte ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her, verdrehte die Augen zur Decke und trommelte nervös mit den Fingern auf die Tischplatte. Doch das half ihm alles nichts. Die Tante hatte beschlossen, ihr Frühstück ausgiebig zu genießen. Und aufzustehen, bevor sie fertig war, hätte gegen alle guten Sitten verstoßen.
Da erlöste uns Hufgeklapper, das durch die hohen Fenster in das Frühstückszimmer drang. Ein Reiter war offensichtlich die breite Auffahrt heraufgekommen und wenig spater wurde auch schon der schwere Türklopfer betatigt. Georges Augen leuchteten auf. »Ihr entschuldigt mich bitte«, sagte er und erhob sich von seinem Platz. Achtlos legte er seine Serviette auf den Tisch. »Ich vermute, der Notar ist soeben angekommen. Ich muß ihn unbedingt persönlich empfangen und zu Großmutter geleiten.« Er war wieder so guter Dinge, daß er uns fröhlich zuzwinkerte, als er sich vor jeder von uns einzeln verbeugte: »Verehrte Tante«, sagte er, »Sophia, meine Liebe« und »Kleine Schwester« zu Hetty.
Dann ging er hinaus und schloß geräuschvoll die Tür. Wider Willen mußte ich schmunzeln, George konnte noch so leichtsinnig und verantwortungslos sein, ich würde ihm auf die Dauer nicht böse sein können. Mein Blick fiel auf Hetty, und ich hätte beinahe laut losgelacht. Sie hatte mir einen bitterbösen Blick zugeworfen. Es schien ihr nicht behagt zu haben, daß George mich »meine liebe Sophia« genannt hatte, während sie wieder zur kleinen Schwester degradiert worden war.
Miss Heather hatte ihr langwieriges Frühstuck beendet und erhob sich nun widerwillig. Ich nahm an, daß ihr die Herzogin nicht gestattet hatte, bei der Abfassung des Testaments zugegen zu sein, sonst hätte sie sich sicher durch nichts davon abhalten lassen, George zu begleiten.
Ich begann mir eben Gedanken zu machen, wie ich den Tag
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