Maskerade in Rampstade (German Edition)
Großmutter im letzten Augenblick nicht noch anders überlegte und doch ihren Enkel Max zum Haupterben einsetzte. Dabei dürfte George allein der Umstand zugute gekommen sein, daß sich der Earl seit seiner kurzen Anwesenheit auf dem Maskenball nicht mehr in Rampstade hatte blicken lassen. Ich wußte nicht, welches Spiel Seine Lordschaft spielte.
Dafür konnte ich aber Georges Beweggründe verstehen, in der Stadt zu bleiben. Sicher hatte er das Versteckspiel ebenso satt wie ich. Der Palast beherbergte sowohl seine gestrenge Großmutter, seine enervierende Tante als auch seine falsche Verlobte. War es da ein Wunder, daß er statt dessen Zeit und Gelegenheit nützte, um mit seiner jungen Frau die Flitterwochen nachzuholen? ›Du bist imstande und verteidigst sein unmögliches Verhalten auch noch!‹ meldete sich meine innere Stimme scharf zu Wort. ›Siehst du nicht, wie unverantwortlich der gute George wieder einmal handelt? In London wird vielleicht gerade seine Verlobungsanzeige gedruckt, und er hat keinen Finger gerührt, um das zu unterbinden! Er hat nicht einmal so viel für dich übrig, daß er verhindert, daß du in einen Riesenskandal hineingezogen wirst.‹
›Er hat sich auf mich verlassen. Habe ich nicht erklärt, ichwürde mich um alles kümmern?‹ versuchte ich ihn vor mir selbst zu verteidigen.
›Ist das nicht typisch für George, daß er zu allem jemanden anderen braucht, der für ihn die Kastanien aus dem Feuer holt?‹ ätzte meine innere Stimme weiter. ›Und was hast du denn schon Großartiges unternommen?‹
›Ich habe Jojo eingeschaltet.‹
Womit ich wieder beim Thema war: Jojo. Wo er wohl gerade war? Was er wohl gerade tat? Auch von ihm hatte ich seit unserem Gespräch vor dem Häuschen auf der Lichtung nichts mehr gehört. Das war an und für sich nichts Ungewöhnliches, wenn man davon ausging, daß er nach London geritten war. Was allerdings, wenn er nicht in London war?
›Wie konntest du ihm nur vertrauen?‹ warf mir meine innere Stimme vor. ›Was ist es denn, das ihn dir so vertrauenerweckend erscheinen ließ? Daß er andere Menschen ausraubt? Daß er sich mit seiner Bande in einem Wirtshaus einnistet, dessen Wirt eben ermordet wurdet?‹
›Ich vertraue ihm, weil ich ihn liebe‹, hielt ich mir trotzig entgegen.
›Liebe macht blind‹, sagte meine innere Stimme.
So vergingen die Tage. Die Herzogin zog es weiterhin vor, ihre Gemächer nicht zu verlassen. Miss Heather war die meiste Zeit an ihrem Bett. Wenn ich sie doch einmal kurz zu Gesicht bekam, dann war sie nicht so redselig wie gewohnt. Im Gegenteil, sie wirkte so fahrig und nervös, daß ich aufpassen mußte, nicht davon angesteckt zu werden. Um mich abzulenken, begann ich meine Koffer zu packen. Sobald George zurück war und der Notar endlich dieses Testament in der Tasche hatte, würde mein Aufenthalt hier zu Ende sein. Ich wollte nicht länger als unbedingt nötig hierbleiben. George sollte alleine damit fertig werden, seiner Großmutter die Wahrheit zu beichten. Ich betete nur inständig darum, daß Jojo vor meiner Abreise zurück sein möge. Bei jedem Geräusch, das ich aus dem Park vernahm, lief ich zum Fenster um zu sehen, ob er unten stand und mir Steinchen ansFenster warf, wie es George an meinem Ankunftstag getan hatte. Oder ich erwartete, daß ich irgendwo im Gebüsch Jem erblicken würde, der mir verstohlen Zeichen machte. Doch jedesmal wurde ich enttäuscht. Von keinem der beiden auch nur die geringste Spur.
Dennoch beschloß ich, meine Abreise nicht zu verschieben. Es würde ein leichtes für Jojo sein, mich zu finden. Wenn er mich überhaupt finden wollte. Jetzt, da sich die Stunden so mühsam weiterschleppten, da die Abende früh hereinbrachen und mir keine Abwechslung zu meinem Grübeln geboten wurde, war ich sicher, Jojo nie wiederzusehen.
Doch dann kam plötzlich wieder Leben ins Haus. Ich war gerade dabei, mein einsames frühstück zu beenden, als ich laut und deutlich die Kader einer Kutsche vernahm, die auf dem breiten Kiesweg der Auffahrt heraufgefahren kam. Ich hörte, wie die Eingangstür geöffnet wurde und beeilte mich aus dem Frühstückszimmer zu kommen, um zu sehen, wer angekommen war, um unsere Stille und die gedrückte Stimmung zu durchbrechen. Da stürmte auch schon George in die Halle. Wenn ich vorgehabt hatte, ihm zu zürnen, ich konnte es nicht.
Er sah viel zu gut aus. Seine langen Beine steckten in biskuit-farbenen Hosen und spiegelblanken Stiefeln. Dazu trug er ein weißes Hemd
Weitere Kostenlose Bücher