Maskerade in Rampstade (German Edition)
Wicht, George Willowby!« fuhr ich ihn an. »Wenn du schon nicht weißt, was zu tun ist, ich weiß es!« Mit diesen Worten sprang ich auf, warf ihm noch einen letzten, vernichtenden Blick zu und eilte zur Tür, um aufzusperren.
»Es steht dir nicht zu, meiner Großmutter die Wahrheit zu sagen!« rief mir George mit scharfer Stimme nach.
Ich wandte mich zu ihm um: »Keine Angst. Diese unangenehme Pflicht überlasse ich dir. Du hast sie schließlich angelogen, es liegt an dir, ihr auch die Wahrheit zu sagen.«
Damit verließ ich Hettys Zimmer und ließ die beiden grußlos zurück. Mit einem lauten Knall krachte die Tür ins Schloß.
Ich blieb davor stehen und starrte aus dem Fenster des Korridors in den Garten hinaus, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. »Ich weiß, was zu tun ist«, hatte ich stolz verkündet. Und dabei hatte ich keine Ahnung, was ich tun sollte. Ich wußte nur, daß diese unselige Anzeige nie erscheinen durfte. Wir alle würden unserem Ruf einen Schaden zufügen, der sich nie, nie wieder würde gutmachen lassen. Ich hatte einen unbändigen Zorn auf George Willowby. Hatte ich mir wirklich einmal eingebildet, ich würde diesen Egoisten lieben? Der Mann, der mich liebte, würde mich nie in so eine aussichtslose Situation bringen. Und er würde sich nicht weigern, mir zu helfen.
Jojo! Jojo würde mir sicher helfen. Ich selbst konnte dem Boten nicht quer durch das Land nachreiten. Vielleicht würde er das für mich tun. Ob ich ihn in seinem Häuschen auf der Waldlichtung antreffen wurde? Ich konnte es zumindest versuchen.
Ich eilte in mein Zimmer und bat Melissa, mir in mein graublaues Reitkleid zu helfen. Dann schlüpfte ich in meine Reitstiefel, knöpfte die Handschuhe zu und war in wenigen Minuten mit Hut und Reitpeitsche aus dem Zimmer.
Wie gut, daß ich den geheimen Weg in den Park kannte. Vordem Stall begegnete mir Joseph, der mir gleich freudestrahlend entgegenkam. Vermutlich hoffte er, ich würde ihn wieder um seine Begleitung bitten und ihm so abermals einen Nebenverdienst verschaffen. Doch heute würde ich alleine reiten. Das Häuschen lag nahe der Grundstücksgrenze zu Rampstade, und ich war zuversichtlich, daß ich den Weg alleine finden würde. Also bat ich ihn nur, mir Rosalind zu satteln und hoffte, daß er mir meine Ungeduld nicht anmerkte.
Ich fragte mich gerade, wie ich wohl am unverfänglichsten herausfinden würde, welcher der Burschen mit der Anzeige nach London geritten war, als Joseph bemerkte: »Bin heute wieder ganz alleine im Stall, Miss«, sagte er, während er den Damensattel befestigte. »Sam ist mit einer persönlichen Botschaft von Ihrer Gnaden nach London geritten, der Stallmeister ist draußen auf der Koppel und Greg ist bei ihm …« Diesmal unterbrach ich seine weitschweifige Aufzählung nicht. Ich hörte ihm allerdings nur mit einem halben Ohr zu. Sam war also nach London geritten. Ich mußte mir überlegen, wie ich Jojo den Burschen am besten beschreiben konnte. Sam hatte ein sehr markantes Gesicht mit Sommersprossen. Und rotblonde Haare, die deutlich verrieten, daß er irischer Abkunft war.
Joseph führte mein Pferd aus dem Stall.
»Soll ich heute nicht mit Ihnen kommen, Miss?« fragte er und sah mich bittend an. Doch ich schüttelte den Kopf. »Vielleicht ein andermal«, versprach ich, während er mir in den Sattel half. Dann ritt ich in flottem Tempo über den Vorplatz die Auffahrt zum schmiedeeisernen Tor hinunter.
Als ich auf dem schmalen Durchlaß durch das dichte Gestrüpp auf die Waldlichtung ritt, sah ich die Fuchsstute aufgezäumt vor dem Haus stehen. Jojo selbst trat eben durch den niederen Türrahmen. Neben ihm stand, ebenfalls in Reitkleidung, Jem, der Handschuhe und Reitpeitsche bereithielt.
Jojo bemerkte mich sofort: »Sophia!« rief er aus. »Nicht, daß ich mich nicht freue, dich zu sehen. Was ist passiert?«
Jem, der die Haustür abgeschlossen hatte, steckte denSchlüssel in die Tasche seines Reitrocks, hob grüßend die Hand und ging hinter das Haus.
»Ich brauche dringend deine Hilfe«, sagte ich und schwang mich aus dem Sattel, bevor er mir seine Hand reichen konnte. »George ist völlig wahnsinnig, und wenn ich nichts unternehme, geschieht eine Katastrophe!«
Jojo blickte mich ernst und erwartungsvoll an, während er mich zu der grünen Bank vor dem Haus führte und mich aufforderte, Platz zu nehmen.
»Die Herzogin«, begann ich zu erzählen, »hat eine Verlobungsanzeige an die Gazette geschickt, und damit wird jetzt alle Welt
Weitere Kostenlose Bücher