Maskerade in Rampstade (German Edition)
ich aus den Fransen Zöpfe geflochten hatte und daß mir das jedesmal eine Rüge meiner Kinderfrau einbrachte. Meine Mutter hatte dann gelächelt und ›So laß sie doch, Mally‹, gesagt, während diese dabei war, mich aus dem Zimmer zu schieben, Liebe, gute Mama. Wie schön wäre es, wenn du noch am Leben wärst, um dich über die Geburt deines Enkelkindes zu freuen.
Als ich nun das Schlafzimmer betrat, fiel mir im Halbdunkel des Raumes als erstes auf, daß die honiggelben Vorhänge verschwunden waren. Liebliche, geblümte Stores hingen an ihrer Stelle.
In hochaufgetürmten, reichverzierten Kissen lag der kleine Kopf meiner Schwägerin, mit geröteten Wangen. Die von Schweiß nassen Haare klebten um ihr Gesicht. Sie stöhnte leise vor sich hin, die Augen geschlossen.
Neben dem Bett stand mein Bruder. So bleich, wie die Wangen seiner Frau gerötet waren. Mit großen Schritten ging er neben dem Bett auf und ab. Die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepreßt. Von Mally war keine Spur zu sehen.
»Was ist hier los?« fragte ich entgeistert. »Was machst denn du im Schlafzimmer? Wo ist Mally?«
Mein Bruder stöhnte auf: »Ach, Sophia«, sagte er. »Gut, daß» du da bist. Es ist alles so schrecklich. Und ich bin daran schuld. Wenn Liza nur nichts geschieht! Ich alleine bin verantwortlich…«
In diesem Augenblick wurde er unterbrochen, da seine Frau erneut zu stöhnen begann und ihre vor Schrecken geweiteten Augen auf uns richtete: »Wie soll ich das nur aushalten?« brachte sie mühsam hervor. »Warum hilft mir denn niemand?«
»Wo ist Mally?« fragte ich James, während ich die Hand meiner Schwägerin ergriff und sie etwas zu streicheln begann. Das schien sie zu beruhigen.
»Ohnmächtig geworden. Die Mädchen haben sie auf ihr Zimmer gebracht.«
Die Wehe, die Elizabeths Körper erfaßt hatte, schien abgeebbt zu sein. Sie atmete ruhiger und stöhnte nur mehr leise vor sich hin.
»Ohnmächtig!« rief ich ungläubig aus, »das kann es doch nicht geben.«
Und doch war es so. Mally, die sich eingebildet hatte, stark und erfahren genug zu sein, um Mylady bei der Geburt hilfreich zur Seite zu stehen, hatte sich selbst überschätzt.
»Nur, weil sie uns beide aufgezogen hat, ist das noch lange kein Grund, daß sie sich bei einer Geburt auskennt«, sagte James bitter. »Und jetzt stellt sich heraus, daß sie überhaupt noch nie bei einer Geburt anwesend warl Und ich habe ihr vertraut; Ich habe gedacht, sie sei eine wirkliche Stütze für Liza. Wenn ichdas nur geahnt hätte! Nie hätte ich Lizas Mutter fortgehen lassen! Ich bin schuld daran, daß sie jetzt schutzlos hier liegt. Ich allein trage die Verantwortung. Ich alleine…«
»Ist schon gut«, unterbrach ich diese Selbstvorwürfe ungeduldig. »Jetzt bin ja ich da, nicht wahr?« Im Grunde meines Herzens gab ich James jedoch recht. Wie konnte er nur seine Schwiegermutter wegschicken, ohne geeigneten Ersatz für sie zu beschaffen? In diesem Augenblick waren weitere Vorwürfe jedoch nicht am Platz.
Und schließlich hatte ja auch ich Mallys selbstbewußten Worten geglaubt. Ohne zu fragen, wie sie überhaupt zu ihrer Erfahrung gekommen sein wollte. Jetzt blieb mir nichts anderes übrig, als die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Und zu hoffen, daß Harry die Hebamme bald bringen würde.
Leider hatte ich selbst keine Ahnung, wie man einer werdenden Mutter am besten beistand. Eines wußte ich jedenfalls: Wichtig waren Ruhe und möglichst geringe Aufregung.
»Am besten, du gehst jetzt in die Bibliothek und trinkst in aller Ruhe ein Gläschen Wein«, schlug ich meinem Bruder vor, der seine unruhige Wanderschaft neben dem Bett seiner Gemahlin wieder aufgenommen hatte. Sanft aber bestimmt schob ich ihn in Richtung Türe: »Ich werde für deine Frau sorgen, keine Angst.«
James war sichtlich erleichert, die Verantwortung auf meine Schultern abladen zu können, und dennoch zögerte er: »Danke, Sophia. Aber wenn du lieber nicht… ich meine, wenn es dich überfordert… Kennst du dich denn aus?«
»Natürlich kenne ich mich aus«, versicherte ich ihm in festem Ton, wenn auch nicht wahrheitsgemäß. »Und im übrigen habe ich schon nach der Hebamme geschickt.«
James trat durch die offene Türe, kehrte jedoch gleich wieder zurück; »Ich kann nicht«, stöhnte er, »ich kann Elizabeth in ihrer schweren Stunde nicht alleine lassen. Ich kann doch nicht…«
Ich faßte ihn mit festem Griff am Oberarm und drängte ihn auf den Korridor zurück. »Glaube mir, du bist
Weitere Kostenlose Bücher