Maskerade in Rampstade (German Edition)
brav, Mylady.«
Auch ich folgte ihrem Befehl und atmete tief durch. Wie gut es war, Elizabeths Schicksal in erfahrene Hände legen zu können.
Meine Schwägerin warf mir einen flehentlichen Blick zu: »Du gehst doch nicht, Sophia, oder?« fragte sie leise. »Bitte laß mich nicht alleine.«
»Aber natürlich nicht«, versprach ich ihr.
Und dabei hätte ich mich viel lieber zu den Männern in die Bibliothek zurückgezogen. Ich harrte an der Seite meiner Schwägerin aus, kühlte ihre Stirne mit dem feuchten Tuch und versuchte, sie zu beruhigen, wenn die barschen Worte der Hebamme sie in Unruhe versetzt hatten.
Dann war es soweit. Endlich, es war bereits etwas nach sieben Uhr früh, die Dämmerung zog schon langsam am Horizont herauf, als ich in das Erdgeschoß gehen konnte, um meinem Bruder zu verkünden, er sei Vater eines Sohnes geworden. James war, wie nicht anders zu erwarten, außer sich vor Freude. Er umarmte und küßte mich überschwenglich. Dann eilte er los, um an die Seite seiner Frau zu kommen, die müde und erschöpft, aber glücklich auf ihn wartete.
Jojo und ich waren alleine.
Wir standen uns schweigend gegenüber. Im Morgenmantel. Beide müde und übernächtigt, zu so ungewohnt früher Stunde.
Ich fühlte mich mit einem Male scheu und befangen wie nie zuvor. »Gratuliere zum Neffen«, unterbrach Jojo die Stille und seine Stimme klang eigenartig heiser. Ich murmelte ein »Danke schön« und vermied es, in sein Gesicht zu blicken.
»Ein Glas Sherry?« fragte er und zeigte mit einladender Geste auf den Beistelltisch, wo eine Reihe von geschliffenen Karaffen mit verschiedenen alkoholischen Getränken bereitstanden.Mein Bück fiel auf die schwere, silberne Teekanne, die auf dem Tisch stand, neben einigen Tassen und einem Teller mit feinstem Gebäck. Es schien, als hätten sich die beiden Männer die Zeit bei Tee und Kuchen vertrieben.
»Ist noch Tee in der Kanne?« fragte ich also.
Jojo nickte und goß mir eine Tasse ein: »Er ist gerade frisch gebracht worden.«
Wir nahmen nebeneinander auf dem kleinen Sofa Platz. Jojo legte seinen Arm um meine Schulter. Es tat gut, seine Wärme zu spüren. Dankbar und zufrieden kuschelte ich mich an ihn. Ich fühlte mich mit einem Mal ruhig und geborgen. Es war, als wäre ich erst jetzt richtig nach Hause gekommen.
»Warum bist du weggelaufen?« fragte er schließlich.
Da fiel mir alles wieder ein: George und seine Lügen, Hetty, die heimlich seine Frau war, der unmögliche Vetter Jasper und vor allem, daß der Mann da neben mir ein Doppelleben führte und daß unsere Verlobungsanzeige in der Gazette stand. Und doch, all dies erschien mir plötzlich nicht mehr so wichtig. Es lag alles so weit weg. Zu vieles war seitdem geschehen: die weite Reise, die Geburt eines Kindes. Es schienen mir Jahre zwischen meinem überstürzten Aufbruch und diesem Morgen zu liegen.
Eines interessierte mich aber doch: »Weiß es die Herzogin?« fragte ich. »Ich meine, weiß sie von Georges Schwindel? Wie hat er es ihr beigebracht?«
»Hetty hat es getan«, berichtete Jojo mit einem Schmunzeln. »Den guten George hatte der Mut verlassen. Da ist Hetty hervorgetreten und hat alles gebeichtet. Das schien Großmutter zu imponieren. Jedenfalls hat sie den alten Barntley nicht zurückgerufen, um ihm ein neues Testament zu diktieren.«
»Das ist typisch!« rief ich aus. »George braucht immer eine Frau, die ihn aus den Schwierigkeiten holt, in die er sich selbst gebracht hat.«
»Und er findet auch immer eine«, stellte Jojo trocken fest und blickte mir direkt ins Gesicht.
Natürlich hatte er recht. Auch ich hatte ihm schließlich geholten.
»Es scheint so«, gab ich daher zu. »Ich glaube allerdings, daß George nicht der einzige bleiben wird, dem ich aus Schwierigkeiten helfen werde.«
Jojo zog eine Augenbraue hoch: »So?« fragte er ruhig, »wer steckt denn noch in Schwierigkeiten?«
Ich konnte es kaum glauben. Dieser Mann war ein angesehenes Mitglied des Hochadels, und doch verdingte er sich als Straßyenräuber. Er wußte, daß ich es wußte, und dennoch spielte er den Unschuldigen!
»Na, vielleicht Georges Vetter?« warf ich ein. Sicher würde er mir jetzt alles gestehen, würde mir erklären, wie er zu seiner Tätigkeit auf der Landstraße kam, würde mich um Verständnis bitten, um meine Hilfe…
»Meinst du diesen Jasper?« fragte er statt dessen. »Schien mir ein unangenehmer Zeitgenosse zu sein. Und der braucht deine Hilfe, sagst du?«
Das war mir denn doch zu viel.
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