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Massiv: Solange mein Herz schlägt

Massiv: Solange mein Herz schlägt

Titel: Massiv: Solange mein Herz schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massiv mit Mariam Noori
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entführen. Ich krümmte mich vor Lachen, warf mich auf den Boden und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.
    »Wasiem? Wasiem! Halt’s Maul und hilf mir!« Mirac schleifte den Affen hinter sich her.
    »Der Affe … hat dich … gekratzt … ein Affe hat … dich gekratzt!« Ich bekam kaum noch Luft, versuchte mich aufzurappeln, doch mein Zwerchfell brannte. Dann ging das Licht in einem Wohnwagen an. Mirac packte den Affen schnell an den Schultern, der biss ihm in die Hand, Mirac verpasste ihm dafür eine Ohrfeige. Das war zu viel des Guten. Ich brach in ein schallendes Gelächter aus.
    »Mirac … wir müssen … weg!« Ich stand auf, mein Gesicht fühlte sich vom Lachen ganz heiß an.
    »Lass den armen Affen los, bevor wir alle Verrückten vom Zirkus am Hals haben!«
    Erst als eine Tür aufgerissen wurde und ein schlanker Mann in Unterhosen uns mit geballten Fäusten drohte, ließ Mirac den verängstigten Affen los, und wir rannten so schnell wir konnten davon. Amani hatte recht behalten, ich würde wieder lachen, wenn etwas wirklich Lustiges passierte.
    »Psst … steh auf, Mann!« Ich quälte mich aus dem Bett, weil ich wusste, Mirac und sein Akkuschrauber würden keine Ruhe geben, bis ich nicht ans Fenster gekommen wäre. Mirac war immer auf Achse und wollte auf keinen Fall eine Gelegenheit zum Geldverdienen verpassen. Er brauchte Geld, viel Geld, denn er hatte ein großes Ziel, für das er sparte: um am Tag des Jüngsten Gerichts seinen Freifahrtschein »aus diesem verfluchten Rattenloch«, wie er Pirmasens immer nannte, bezahlen zu können.
    Der Tag des Jüngsten Gerichts war für Mirac der Tag, an dem die Aliens kommen und die Erde zerstören würden. Ständig erzählte er mir von den Visionen, die er schon seit seiner Kindheit hatte, in denen Aliens prophezeiten, sie würden bald landen kommen und nur einige Auserwählte mitnehmen. Mirac war stolz, ein solcher Auserwählter zu sein, und nun musste er eben Geld sparen, weil ein Ticket fürs Raumschiff sehr teuer werden würde. Er verehrte die Aliens, weil sie ihn auserwählt hatten – Mirac war noch nie für irgendetwas auserwählt worden. Sein Zimmer hatte er in einen Alien-Schrein verwandelt, überall lagen Spielfiguren, Filme und Bücher dazu herum, die meisten von Erich von Däniken, die Wände waren zugekleistert mit Postern von Außerirdischen. Ich war genervt von Mirac und seinen Aliens und fragte, was die, bitte schön, mit seinem Geld anfangen sollten, immerhin kamen sie von einem anderen Planeten, wo es bestimmt auch anderes Geld gab. Mirac schmollte, weil er darauf keine Antwort wusste und fügte schnell hinzu: »Ich muss auch für New York Geld sparen.«
    »Was denn nun, die Aliens oder New York?«, fragte ich in einem abfälligen Ton.
    »Na, was zuerst kommt!«
    Ich wusste nicht, ob ich Mirac und seinen Visionen Glauben schenken konnte, er war schon immer für seine blühende Fantasie bekannt gewesen. Aber ich wusste, dass er sehr wohl an sich selbst glaubte. Mirac war der Erste, der mir beibrachte, dass es nicht wichtig war, ob andere an deine Träume glauben, sondern wie sehr du selbst an sie glaubst.
    »Was ist?«, flüsterte ich und luchste aus dem Fenster.
    »Komm. Es ist etwas passiert … sie kommen.« Mirac winkte aufgeregt. Die ganze Alien-Geschichte hatte sich langsam zu einer Obsession entwickelt. Mindestens einmal die Woche versetzte er mich in Aufruhr.
    »Sie hätten schon letzten Samstag, Dienstag und Mittwoch kommen sollen.«
    »Nein, nein – dieses Mal kommen sie wirklich.« Ich zog mich an, weil ich keine andere Wahl hatte, Mirac war mein Freund, und für seine Freunde musste man bereit sein, jeden Mist mitzumachen. Ich zog mir meine Schuhe an und öffnete ganz leise die Haustür. Im Gegensatz zu mir musste Mirac sich nie aus dem Haus schleichen. Er ging ein und aus, wie es ihm passte, weil sich sein Vater ohnehin nicht um ihn scherte. Wenn Eltern ihren Kindern nicht einmal Verbote erteilten, kümmerten sie sich wirklich nicht um sie, denn was konnten Eltern besser als Verbote erteilen? Mirac lebte alleine mit seinem Vater, einem großen, dürren Mann, der immer schmutzige Fingernägel hatte und keine Arbeit fand, weil er an einer Leberzirrhose litt, die vom vielen Trinken kam. Er hatte den Ruf, der größte Perversling der Stadt zu sein, weil er jeder Frau, die ihm über den Weg lief, die Zunge herausstreckte und dabei obszöne Gesten machte. Mirac war ohne Mutter aufgewachsen; in einer seiner Visionen hatte er

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