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Matharis Kinder (German Edition)

Matharis Kinder (German Edition)

Titel: Matharis Kinder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernadette Reichmuth
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Stoff trennten, war nicht wie seine silbern schimmernd. Elfenbeinfarben musste sie sein, wie die Blütenblätter einer sehr hellen Rose ... nein, es war nicht nur nicht einfach. Es war unmöglich - und dennoch wunderbar. 
    Hätte Torian in diesem Augenblick bei einer gütigen Fee einen Wunsch freigehabt, wäre es dieser gewesen: bis an das Ende der Zeiten mit diesem Mädchen hier zu sitzen. 
    Er fühlte, wie ihr Blick auf seinem Gesicht ruhte.
    „Es ist wirklich eigenartig“, flüsterte sie, „bei Nacht sieht man den Schimmer auf eurer Haut noch deutlicher. Als ob ihr von innen heraus leuchten würdet.“ Und nach einer Pause: „Ist es das, was euch für uns so fremd macht? Dieses Leuchten?“
    Während der letzten Worte ließ sie ihre Fingerspitzen über seine Wange gleiten.
    Torian wagte kaum zu atmen.
    „Fremd seid ihr uns genauso“, antwortete er schließlich, „ihr tut so viele Dinge, die wir nicht verstehen. Und ihr könnt wohl ebenso wenig verstehen, was wir tun.“ Dabei wisst ihr nicht einmal, was wir wirklich tun, setzte er in Gedanken hinzu.
    Janis hatte ihre Hand zurückgenommen.
    Als hätte sie seine Antwort nicht gehört, spann sie ihre Gedanken fort. „Anfühlen tut sich deine Haut wie jede andere auch. Wenn ich die Augen zumache, kann ich nicht den geringsten Unterschied feststellen. Es ist einfach nur Haut.“
    Es ist einfach nur Haut. Fünf einfache Worte. Mit einem einzigen Streich kippten sie jedes ‚Wenn’ und ‚Aber’ aus Torians  Bewusstsein. 
    „Ja“, sagte er.
    Ihre Blicke trafen sich.
    Er legte seine Hand in ihren Nacken und zog sie an sich.
    Da waren wieder diese Augen, ganz nahe, zwei schwarze, unergründliche Seen. Einen Herzschlag lang schauderte Torian vor dieser Tiefe. Er wusste, dass er sich darin rettungslos verlieren würde.
    Mit ausgebreiteten Armen ließ er sich in den sternfunkelnden Abgrund fallen. 
    Ihre Lippen fanden sich zu einem langen, innigen Kuss.
    Als Torian wieder zu sprechen anhob, legte Janis ihm schnell die Fingerspitzen an den Mund.
    „Schscht, nicht reden! Lass uns einfach nur hier sitzen und beieinander sein, Lieber. Einfach beieinander sein ...“
    Eine Aufforderung, der Torian nur zu gerne nachkam.
    Viel später suchte er die vom einträchtigen Schnarchen seiner Gefährten erfüllte Kammer auf.
    In dem zweiten Bett war noch genug Platz für ihn. Janael lag kerzengerade auf dem Rücken über der Ritze, wo die beiden Matratzen aneinanderstießen.
    Eine Weile lauschte der junge Blumenhüter in die Küche hinaus und wartete auf das Heimkommen von Janis. Sie war vor ihm gegangen, darum hatte er angenommen, sie würde längst in der Nähe ihrer Mutter schlafen, wenn er zurückkam. Doch dem war nicht so. Als er die Küche betrat, lag die zweite Lagerstätte noch immer genauso unberührt, wie Punjas geschäftige Hände sie hergerichtet hatte.
    Es dauerte mehr als eine Stunde, bis Torian das Öffnen und Schließen der Tür vernahm. Diese leichten Schritte – waren sie nicht die reinste Himmelsmusik? Verzückt lauschte er dem Rascheln von gröberen und feineren Stoffen, als das Mädchen aus ihren Kleidern schlüpfte. Seine Phantasie ließ die Wand zwischen Küche und Kammer durchsichtig werden...
    In dieser Nacht lag Torian lange wach. Seine Seele sang ein neues Lied. Sein Herz schlug den Takt dazu. Du liebst Janis, und Janis liebt dich. 
    In der seligkeitstrunkenen Melodie schwangen traurige Töne mit. Zwischen ihm und ihr lagen nicht nur die Verschiedenheiten ihrer Rasse und Kultur. Wäre er Lopunier oder sie Peonierin gewesen, hätte ihre Liebe vielleicht eine Brücke bauen können über diesen Abgrund. Zwischen Peona und Lopunien lag jedoch das Kari-Gebirge.
    Und er musste zurück.  
    Ihrer Liebe blieben nur wenige Tage. Und danach? Danach gab es nichts außer der geradezu lächerlichen Hoffnung auf einen Sieg der Widerstandsbewegung. Und dass Janis am Leben blieb, damit Torian sie in einem freien Lopunien wieder finden konnte. 
    In dieser Nacht stieg aus den Tiefen seiner Seele wieder jener dunkle, rätselvolle Traum auf. Nun offenbarte er sein Gesicht und trat über die Schwelle von Torians Bewusstsein. Groß, still, furchterregend, ein Abgesandter der Schicksalshüter.
     
    Eine blendend weiße Wiese – kein Schnee – einfach nur weiß – weißes Gras – weiße Luft – weißer Himmel – vor sich eine schwarze Spur – als hätte die Erde alle Farbe in diesem Schwarz verloren – er folgt dieser Spur – durch endlose Ewigkeiten –

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