Matharis Kinder (German Edition)
heilen.
Doch nach ein paar Wochen fing alles wieder von vorne an. Wieder gab es ein Loch in der Rüstung und Torian wurde verletzt.
In seiner Not verletzte er oft andere Menschen – manchmal sogar Tiere. Darüber war er so traurig, dass er sich tagelang in seinem Zimmer verkroch.
Er mochte kaum noch essen und schlafen. Wenn er schlief, wurde er von schrecklichen Träumen geplagt. In der Schule konnte er nicht mehr richtig lernen.
So wurde Torian von Tag zu Tag unglücklicher.
Schließlich fürchteten seine Eltern, er könnte ernstlich krank werden. Sie suchten Rat beim Schmied.
Der Schmied schaute sie lange an. Dabei wiegte er seinen großen, grauen Kopf.
„Ja, ich weiß, was eurem Sohn fehlt“, sagte er nach einer Weile, „aber leider kann ich euch nicht helfen. Als Torian seine Rüstung bekommen sollte, habe ich meine Aufgabe so gut ich es vermochte erfüllt. Mehr steht nicht in meiner Macht.“
Torians Eltern waren verzweifelt. „Gibt es denn gar keine Hilfe für unser armes Kind? Wie kann es je ein Blumenhüter werden, wenn es immer schwächer wird? Es geht zugrunde!“
Der Schmied schaute sie nachdenklich an.
„Nun gut“, sagte er schließlich, „ich sehe, wie groß eure Not ist. Es gibt jemanden, der euch vielleicht raten kann. Wir Schmiede dürfen zwar nicht von ihr sprechen. Ich denke aber, sie wird es mir verzeihen, wenn sie erfährt, dass das Leben eines Blumenhüters auf dem Spiel steht. Geht zur Meisterin der Schmiede. Sie ist die höchste der weisen Frauen, und sie wohnt auf dem blauen Berg in der gläsernen Burg. Sie wird euch nicht abweisen.“
Voll neuer Hoffnung machten sich Torians Eltern auf den Weg zur Meisterin der Schmiede.
Es war eine lange und mühselige Reise.
Oft glaubten sie, dem blauen Berg ganz nah zu sein. Schon war er im nächsten Augenblick wieder in unerreichbare Ferne gerückt.
Sie ließen sich nicht entmutigen und erreichten ihr Ziel.
Sie hatten erwartet, in der gläsernen Burg eine alte Frau mit weißen Haaren und runzligem Gesicht anzutreffen. Denn der Schmied selbst war ja auch schon sehr alt.
Jedoch die Frau, die ihnen gegenüberstand, war von auffallender Schönheit. Sie hatte ein glattes, sanftes Gesicht, lange schwarze Haare und wunderschöne Hände. Ihr Kleid schien aus einem Stück des nachtblauen Sternenhimmels gefertigt. Von ihren Schultern wehte ein Mantel, der war leicht und fein wie Nebel, der nachts aus den Wiesen steigt.
Ihre dunklen Augen blickten voller Teilnahme, als die beiden Besucher ihr von ihrem Kummer erzählten.
Als Torians Eltern schließlich verstummten, schwieg auch die weise Frau lange. Nachdenklich wanderte ihr Blick von der Mutter zum Vater. Dann wandte sie sich ab und ging zum Fenster.
„Es gibt eine Möglichkeit, eurem Sohn zu helfen“, sagte sie leise, „es ist aber eine schwere Prüfung damit verbunden. Es wird sehr wehtun. Es kostet euch ein Stück eures Herzens!“
Ein Stück des eigenen Herzens? Wie meinte sie das? Ach, wurde denn nicht schon jetzt ihr Herz in Stücke gerissen? Konnte Torians Rettung noch schmerz voller sein, als ihre bisherige Ohnmacht gegenüber seiner Not?
Die weise Frau winkte sie ans Fenster. „Seht ihr diese Berge dort? Sie sind weit weg von hier. Mitten in diesen Bergen gibt es einen Ort, der ist wie eine Insel. Es gibt dort keine Gefahren. Es ist ein stiller, heiliger Ort, wo kranke Seelen wieder gesund werden können. Dorthin könnt ihr euer Kind bringen. Wenn ihr den Menschen, die dort leben, das Stück eures Herzens gebt, machen sie daraus eine Medizin. Mit dieser Medizin werden sie Torians Verletzungen heilen können. Es ist so viel Kraft und Liebe an jenem Ort, dass dort auch Torians Rüstung für immer ganz werden kann. Und nach der geforderten Zeit wird euer Sohn gesund und stark zu euch zurückkehren.“
Das war der Rat, den die weise Frau Torians Eltern gab.
So traten sie den Heimweg wieder an.
Und so brachten sie Torian an jenen stillen, heiligen Ort.
Mit jedem Tag ging es Torian ein winziges Stückchen besser.
Tapfer und geduldig ertrug er sein Heimweh.
Er hatte nur einen einzigen großen Wunsch: er wollte ein guter Blumenhüter werden.
L OPUNIEN
Finsternis bricht herein über das Land.
Schwarze Flügel breiten sich aus
über Felder und Wälder.
(aus den Geheimen Prophezeiungen
der Sterntempler)
EI NS
In jenen vergessenen Zeiten bedeutete es für jeden Blumenhüter ein Glück, in Peona geboren zu werden.
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