Matharis Kinder (German Edition)
Ich bin doch kein Wolf, der dir dein Zicklein stehlen will, dachte er. Plötzlich stieg ein warmes Gefühl für diese pummelige, kratzbürstige Frau in ihm auf. Ihr hatte er die Existenz des herrlichsten, strahlendsten, anbetungswürdigsten Wesens zu verdanken, dem er jemals begegnet war.
In diesem Augenblick öffnete das anbetungs würdige Wesen die Haustüre – und blieb auf der Schwelle wie angewurzelt stehen. Der Eimer in Janis‘ Hand fiel zu Boden. Das geschöpfte Wasser ergoss sich auf dem Küchenboden.
Das Mädchen wich zurück und schlug die Türe zu.
Torian zögerte keinen Augenblick. Mit ein paar langen Schritten durchquerte er die Küche und riss die Türe wieder auf. Das grelle Licht der in den Himmel steigenden Morgensonne blendete ihn. Bald entdeckten seine scharfen Augen das wie ein gehetztes Tier den Berg hinauf rennende Mädchen.
Wenige Minuten später hatte Torian Janis eingeholt. Er packte ihren Arm, riss sie so heftig herum, dass sie beinahe strauchelte. Reflexartig klammerte sie sich an ihn, versuchte sogleich, sich wieder loszureißen.
Torian hielt sie fest. Flehend blickte er in ihre erbitterten, rot geränderten Augen. Da trat sie ihn mit aller Kraft gegen das Schienbein. Der Schmerz traf ihn so heftig, dass er sie überrumpelt losließ.
Janis wandte sich ab und lief weiter.
Hilflos starrte Torian ihr nach. Idiot, schimpfte er sich selbst, was hast du eigentlich von ihr gewollt? Etwa das gestern so jämmerlich Versäumte nachholen?
Langsam trottete er zum Haus zurück.
Vor der Türe blieb er stehen. Hinter diesem Holz wartete die alltägliche Wirklichkeit in Form eines Frühstücks auf ihn …
Die Türe wurde aufgerissen. Um ein Haar wäre Torian mit Janael zusammengestoßen. Der Ausdruck im Gesicht des alten Mannes ließ den jungen Blumen hüter zurückweichen.
„Die Dinge haben sich geändert“, sagte Janael mit rauer Stimme, „Pariko geht es heute Morgen gar nicht gut. Ich weiß nicht, was wir tun sollen. Wir haben schon so viel Zeit verloren. Wenn wir morgen nicht aufbrechen, dann ... dann müssen wir überhaupt nicht mehr gehen.“ Bevor Torian antworten konnte, fuhr er fort: “Ich werde gleich in die Sümpfe gehen und nach einem Heiler fragen. Immer mehr Menschen verstecken sich dort, das habe ich von Punja erfahren. Morgen brechen wir beide auf. Ich werde dich bis zur Passhöhe begleiten. Wenn wir die Pamadar-Türme hinter uns haben, schaffst du es allein bis nach Peona.“
Torians Hirn weigerte sich, den Sinn dieser Worte zu begreifen. In der Kehle des jungen Blumenhüters zerbröselte ein Schrei.
„Was willst du damit sagen?“ keuchte er. „Mensch, das hatten wir doch schon mal! Und es kommt noch immer nicht in Frage!“
Janaels Gesicht wurde weich. Seine Stimme blieb un nachgiebig.
„Dir wird keine Wahl bleiben, mein junger Freund. Du wirst den Weg nach Peona allein zu Ende gehen müssen. Nachdem du die Samentaschen im ersten Dorf auf der anderen Seite des Passes abgegeben hast, kannst du ja umkehren und mich holen.“ Janael hielt inne, als müsste er die letzten Worte noch einmal überdenken. Schüttelte dann den Kopf. „Nein, das musst du nicht. Ich möchte nicht mehr zurück nach Peona.“
Jede Regel von Höflichkeit und Ehrerbietung vergessend packte Torian den Arm des alten Mannes.
„Was fällt dir ein! Ich lasse dich nicht da oben sterben! Niemals! Wenn du nicht mehr nach Peona willst, na schön! Dann werde ich eben wiederkommen und dich zurück nach Lopunien schleppen. Und du – du wirst gefälligst am Leben bleiben, bis ich wieder bei dir bin!“
Noch während die Worte aus ihm hervor sprudelten, wurde ihm die ganze Tragweite dieses Versprechens bewusst: in Peona würde ihm nicht einmal Zeit bleiben, seine Eltern zu besuchen. Um seinen Gefährten lebend wiederzufinden, würde er sich so schnell wie möglich auf den Rückweg machen müssen. Torian fühlte seine Kehle trocken und eng werden. An seinem Entschluss änderte sich nichts.
Der alte Mann nickte langsam.
„Ich werde mir Mühe geben, dein Angebot anzunehmen, mein Junge. Zumal es ja auch für dich einen Grund gibt, hierher zurückzukehren, nicht wahr?“
Torian senkte den Kopf.
„Das glaube ich nicht. Sie scheint nicht mehr allzu viel von mir wissen zu wollen. Ich glaube, ich habe sie beleidigt, weil ich ihr ... ihr Angebot nicht angenommen habe.“
Janael bedachte seinen Gefährten mit einem nachdenklichen Blick
„Bist du dir da ganz sicher? Beleidigter Stolz lässt ein
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