Mathias Sandorf
Leben blieb.
An diesem Tage erkannte dieser den Doctor wieder Mit einer noch schwachen Stimme konnte er ihn bei seinem wirklichen Namen nennen.
»Für Dich, mein Sohn, bin ich Mathias Sandorf, antwortete dieser ihm, doch nur allein für Dich.«
Und da Peter ihn mit einem Blick betrachtete, der ungeduldig Erklärungen zu fordern schien, setzte er hinzu:
»Später, später.«
In einem traulichen Gemache, das durch seine sich nach Norden und Osten öffnenden Fenster der gesunden Meeresluft freien Eintritt gestattete und im Schatten schöner Bäume gelegen war, denen munter fließende Gewässer ein ewiges Grün verliehen, mußte die Gesundheit Peter’s schnell und sicher wieder zunehmen. Der Doctor hörte nicht auf, ihn mit jeder nur denkbaren Sorgfalt zu umgeben; von Minute zu Minute war er bei ihm, seitdem aber die Heilung gesichert schien, hatte er billigerweise einen Pfleger angestellt, dessen Umsicht und gutem Willen er durchaus Vertrauen schenkte.
Es war das Pointe Pescade, der Peter Bathory ebenso ergeben war wie dem Doctor. Er sowohl wie Kap Matifu hatten selbstverständlich über die Vorgänge auf dem Kirchhofe von Ragusa reinen Mund gehalten; ebenso gewiß war es, daß sie nie darüber sprechen würden, daß der junge Mann noch lebend seinem Grabe entrissen worden war.
Pointe Pescade war ziemlich tief in alle Geschehnisse eingeweiht worden, die sich während des Verlaufes dieser wenigen Monate zugetragen hatten. Er hatte demgemäß ein erhöhtes Interesse an seinem Kranken. Diese Liebe Peter Bathory’s, welche das Dazwischentreten Sarcany’s gekreuzt hatte – ein Unverschämter in seinen Augen, der ihm eine wohl gerechtfertigte Antipathie einflößte – das Zusammentreffen des Trauerzuges mit den hochzeitlichen Kutschen vor dem Hotel im Stradone, die auf dem Kirchhofe von Ragusa vorgenommene Ausgrabung, alles das hatte das gutmüthige Wesen sehr zum Mitleid angeregt, umsomehr als er sich den Plänen des Doctors Antekirtt verbunden fühlte, ohne das Endziel derselben begreifen zu können.
Es geht aus Gesagtem hervor, daß Pointe Pescade mit Eifer den Auftrag, den Kranken zu pflegen, entgegennahm. Es wurde ihm gleichzeitig vom Doctor anempfohlen, Peter durch seinen drolligen Humor so viel als möglich zu zerstreuen. Daran konnte es ihm nun nicht fehlen. Er betrachtete überdies seit dem Feste in Gravosa Peter Bathory als seinen Gläubiger und hatte sich schon längst vorgenommen, gelegentlich auf die eine oder die andere Weise mit ihm abzurechnen.
Deshalb gab sich Pointe Pescade nach erfolgter Installirung bei dem Kranken alle Mühe, die Gedanken Peter’s durch Plaudern und Schwatzen abzulenken und ihm keine Zeit zum Nachdenken zu lassen.
So wurde er eines Tages auf eine directe Frage Peter’s hin veranlaßt, zu erzählen, wie er die Bekanntschaft des Doctors Antekirtt gemacht habe.
»Bei dem Stapellaufe des Trabocolo, Herr Peter, gab er zur Antwort. Sie müssen sich dessen doch noch erinnern? Die Geschichte mit dem Trabocolo, welche aus Kap Matifu einen Helden gemacht hat?«
Peter hatte keineswegs das ernste Ereigniß vergessen, welches das Jahrmarktsfest in Gravosa bei der Ankunft der Vergnügungs-Yacht unterbrochen hatte; doch das wußte er bisher nicht, daß auf den Vorschlag des Doctors hin die beiden Akrobaten ihre Künste aufgegeben hatten und bei Letzterem in Dienst getreten waren.
»Ja. Herr Peter, meinte Pointe Pescade, das war es und die Aufopferung Kap Matifu’s ist für uns ein großes Glück geworden. Doch dürfen wir über dem was wir dem Doctor schulden, nicht vergessen, Ihnen zu danken.
– Mir?
– Ihnen, Herr Peter, der Sie an jenem Tage beinahe unser ganzes und einziges Publicum gewesen wären; das heißt mit anderen Worten, wir hatten zwei Gulden verdient, ohne sie verdient zu haben, weil das geehrte Publicum uns im Stiche ließ, obwohl es seinen Platz bezahlt hatte.«
Und Pointe Pescade rief Peter Bathory ins Gedächtniß zurück, wie dieser, kaum nachdem er die zwei Gulden erlegt hatte und im Begriffe stand, die provençalische Arena zu betreten, plötzlich verschwunden war.
Der junge Mann hatte an diesen Vorfall nicht mehr gedacht, doch jetzt erinnerte er sich desselben mit einem traurigen Lächeln, denn es fiel ihm gleichzeitig ein, daß er sich nur, um Sarah Toronthal wieder zu finden, in der Menge verloren hatte.
Seine Augen schlossen sich. Er sann darüber nach, wie Alles von jenem Tage an gekommen war. Sobald er an Sarah dachte, die er jetzt verheiratet
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