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Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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dreißig Köpfe zählte. Aus diesem Umstande entsprang der Entschluß, etwas fremdes, namentlich maltesisches Blut der Truppe zuzuführen. Zirone wußte, daß in den Schlupfwinkeln des Manderaggio, in denen er einst ebenfalls heimisch gewesen war, zu Hunderten unbeschäftigte Banditen sich aufhalten. Deshalb war Carpena nach La Vallette gegangen, und wenn er auch nur ein Dutzend Männer aufgetrieben hatte, so waren es dafür auserlesene Leute.
    Man möge nicht weiter darüber erstaunt sein, daß der Spanier sich Zirone so ergeben zeigte. Das Handwerk gefiel ihm; da er aber von Natur aus feige war, so stellte er sich so wenig als möglich an die Spitze der Unternehmungen, wo es Flintenschüsse gibt. Er begnügte sich mit dem wohlfeileren Ruhme, die Geschäfte vorzubereiten, die Pläne auszuhecken und die Functionen eines Herbergsvaters in jener Locanda von Santa Grotta auszuüben, einer furchtbaren Räuberhöhle, die sich in den ersten Höhen des Vulcans verbirgt.
    Natürlich war Sarcany und Zirone aus der Vergangenheit Carpena’s alles das bekannt, was sich auf die Angelegenheit Andrea Ferrato bezog, Carpena dagegen wußte von den Triester Vorfällen nichts. Er nahm als selbstverständlich an, daß er mit ehrbaren Briganten in Verbindung gekommen wäre, die schon seit vielen Jahren in den Bergen Siciliens ihrem Geschäfte nachgingen.
    Zirone und Carpena erlebten während ihres Marsches von acht italienischen Meilen, von den Felsen des Polyphemos an bis nach Nicolosi, kein böses Abenteuer, mit anderen Worten, es zeigte sich auf ihrem Wege kein einziger Gensdarm. Sie verfolgten ziemlich beschwerliche Fußpfade zwischen Maulbeer-, Oliven-, Orangen-und Citronenbaumfeldern, durch Gebüsche von Eschen, Korkeichen und indischen Feigenbäumen. Oftmals stiegen sie über die Betten jener eingetrockneten Ströme, die, von Weitem gesehen, chaussirte Wege zu sein scheinen, auf denen die glättende Walze die Kieselsteine noch nicht in den Boden gedrückt hat. Der Sicilianer und der Spanier passirten die Ortschaften San Giovanni und Tramestieri, die schon in einer ziemlichen Höhe über dem Spiegel des Mittelmeeres gelegen sind. Gegen zehn und ein halb Uhr hatten sie Nicolosi erreicht. Es ist das eine im Mittelpunkte eines ungeheuren Rundkreises liegende Ortschaft, welche im Norden und Westen die Ausbruchskegel von Monpilieri, die Monte Rossi und die Serra Pizzuta flankiren.
    Dieser Flecken besitzt sechs Kirchen, ein Kloster, das unter dem Schutze des heiligen Nikolaus von Arena steht, und zwei Herbergen – letzterer Umstand namentlich macht seine Bedeutung aus. Allein mit diesen Wirthshäusern hatten Zirone und Carpena nichts zu schaffen. Die Locanda von Santa Grotta erwartete sie in einer Entfernung von noch einer Stunde, in einem der dunkelsten Schlünde des Aetna-Gebirgsstockes. Sie erreichten sie, noch bevor die Kirchenglocken von Nicolosi Mitternacht geschlagen hatten.
    Man schlief keineswegs in Santa Grotta. Man speiste noch in Begleitung von Geschrei und Gezänk. Die von Carpena neu Angeworbenen waren dort vereinigt; ein Greis der Bande, Namens Benito – er hieß wahrscheinlich aus Widerspruchsgeist so – machte die Honneurs des Ortes. Der übrige Theil der Räuber, an vierzig Bergbewohner und Ausreißer, befanden sich noch zwanzig Meilen weiter westlich; sie durchforschten die gegenüber liegenden Abhänge des Aetna und mußten bald zu den Anderen stoßen. In Santa Grotta war also nur das Dutzend Malteser vorhanden, das der Spanier angeworben hatte. In ihrer Gesellschaft nahm Pescador – oder Pointe Pescade, wie er sonst hieß – tapfer Theil an diesem Concert von Fluchreden und Aufschneidereien. Doch hörte, beobachtete, notirte er auch, um nichts von dem zu vergessen, was ihm irgenwie nützlich sein konnte. So vergaß er unter Anderem auch die Rede nicht, die Benito seinen Gästen kurz vor dem Eintreffen von Carpena und Zirone hielt, um ihr überlautes Schwatzen etwas zu dämpfen.
    »Schweigt doch, Ihr Teufelsmalteser, schweigt doch! Man hört Euch wahrhaftig in Cassone, wohin der Centralcommissär, der liebenswürdige Quästor der Provinz, ein Detachement Carabiniers gesandt hat!«
    Eine sehr scherzhafte Drohung, denn Cassone lag ziemlich weit ab von Santa Grotta. Doch die Neulinge glaubten wirklich, ihr Geschrei könnte zu den Ohren der Carabiniers, der Gensdarmen dieses Landes, dringen. Sie mäßigten also ihre lauten Ausrufe und sprachen dafür um so tapferer den dickbäuchigen Flaschen voll Aetnaweines zu,

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