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Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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und der kleine Trupp brach sofort auf.
    In dieser Partie des Rif haben die Europäer nichts von der eingeborenen Bevölkerung zu befürchten, nicht einmal von den das Land durchziehenden Nomaden. Es ist das übrigens eine wenig bewohnte und fast gar nicht cultivirte Gegend. Die Landstraße zieht sich durch eine mit mageren Gebüschen besetzte Ebene – eine Landstraße, die weniger durch Menschenhand als durch den Tritt der Saumthiere hergestellt zu sein scheint. Auf der einen Seite liegt der Fluß mit seinen buchtenreichen Ufern. Sie widertönen von dem Gequak der Frösche und dem Zirpen der Grillen. Einige Fischerbarken ankern mitten in der Strömung, andere sind auf den Sand gezogen. Auf der anderen, der rechten Seite, zieht sich eine Kette steiniger Hügel entlang, die sich mit den südlicher liegenden massigen Gebirgsstöcken verbinden.
    Die Nacht war herrlich. Der Mond tauchte die ganze Landschaft in sein Licht. Von dem Wasserspiegel zurückprallend, gab dasselbe die Zeichnungen der Anhöhen am nördlichen Horizonte in weicheren Contouren wieder. In der Ferne hob sich im weißen Gewande die Stadt Tetuan ab – ein blendender Punkt inmitten der dichten Nebel im Hintergrunde der Landschaft.
    Der Araber führte seine Gesellschaft im schnellen Trabe. Zwei-oder dreimal mußte vor vereinzelt stehenden Stationen angehalten werden, durch deren vom Monde beschienene Fenster gewöhnlich ein gelber Lichtstrahl in die Nacht hinaus drang. Ein oder zwei Marokkaner traten dann aus dem Innern, sie führten eine Blendlaterne mit sich und unterhielten sich mit dem Führer. Nachdem einige Erkennungsworte ausgetauscht waren, ging die Reise weiter.
    Weder der Doctor noch seine Genossen sprachen. In Gedanken vertieft ließen sie ihre an diese Straße durch die Ebene gewöhnten Maulesel gehen, wie sie Lust hatten; die Stellen, wo sie holprig oder mit Steinen bedeckt war, oder wo Wurzeln sich über sie hinzogen, vermied der sichere Fuß der Thiere. Das kräftigste derselben blieb jedoch regelmäßig zurück. Deshalb war es durchaus nicht untüchtig, es trug nur – Kap Matifu.
    Dieser Umstand gab Pointe Pescade den Gedanken ein, ob es nicht gerathener sei, daß Kap Matifu den Maulesel trüge, als der Maulesel ihn.
    Gegen einundeinhalb Uhr machte der Araber vor einer großen weißen Mauer Halt; sie wird von Thürmen und Schießscharten gekrönt und vertheidigt auf dieser Seite die Stadt In dieser Mauer öffnet sich ein niedriges, von Arabesken nach marokkanischer Manier umrahmtes Thor. Durch die zahlreichen Schießscharten oberhalb desselben gähnen den Kommenden die Mündungen der Kanonenrohre entgegen; sie gleichen großen, beim Glanze des Mondlichtes nonchalant eingeschlafenen Krokodilen.
    Das Thor war geschlossen. Es mußte mit Geld in der Hand parlamentirt werden, um die Oeffnung zu erzwingen. Dann gerieth man in gekrümmte enge, meistens überwölbte Straßen. Sie waren von anderen, ebenfalls verriegelten Thoren abgesperrt, die wiederum nacheinander mit Hilfe desselben Mittels geöffnet werden mußten.
    Eine Viertelstunde später langten der Doctor und seine Genossen endlich vor einer Herberge, einer »Fonda« an – der einzigen am Orte; ein Jude hielt sie und seine einäugige Tochter bediente.
    Der Mangel an Comfort in dieser Fonda, deren bescheidene Zimmer einen inneren Hof einschlossen, erklärt sich damit, daß nur wenige Fremde es wagen, nach Tetuan vorzudringen. Es findet sich nur ein einziger Vertreter der europäischen Großmächte dort, nämlich ein spanischer Consul, der völlig abgeschnitten inmitten einer Bevölkerung von einigen tausend Seelen sitzt, in welcher das eingeborene Element vorherrscht.
    So sehnlichst es auch der Doctor Antekirtt erstrebte, zu fragen, wo das Haus Namir’s gelegen wäre, und sich dorthin führen zu lassen, so energisch bezwang er sich vorläufig. Es mußte mit äußerster Klugheit zu Werke gegangen werden. Eine Entführung konnte unter den Verhältnissen, in denen Sarah wahrscheinlich aufgefunden, wurde, ernstliche Schwierigkeiten bieten. Alle Gründe für und gegen waren sorgfältig überlegt worden. Vielleicht konnte, gleichviel zu welchem Preise, die Freiheit des jungen Mädchens erkauft werden? Dann mußten der Doctor und Peter sich allerdings ganz besonders davor hüten, sich erkennen zu lassen – namentlich von Sarcany, der sich vielleicht in Tetuan aufhielt. In seinen Händen bot Sarah eine Garantie für die Zukunft, die er sich so leichten Kaufes nicht entreißen lassen würde.

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