Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mathilda Savitch - Roman

Mathilda Savitch - Roman

Titel: Mathilda Savitch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
zu wirken. In den letzten Monaten hat sie kaum noch mit einem von uns gesprochen. Die halbe Zeit schloss sie sich in ihrem Zimmer ein, und die andere Hälfte rannte sie sexy aufgedonnert aus dem Haus. Ich weiß nicht, vielleicht war das zwanghaft. Aber niemand wäre je auf dieIdee gekommen, Helene zu dem Baum zu schicken. Anscheinend können schöne Menschen machen, was sie wollen, und niemand kann sie aufhalten. Ma hat es oft genug versucht. Manchmal legte sie beide Hände auf Hs Schultern und sagte
Du gibst acht, ja? Versprich es mir.
Ma ließ sie nicht gehen, bis sie es tat. Und wenn sie weg war, stand Ma auf der Terrasse und rauchte hundert Zigaretten.
    Ich hoffe, Helene hat die tollsten Sachen mit ihrem Körper gemacht, bevor sie starb. Manchmal hört man von alten Jungfern. Stellen Sie sich vor, als Jungfrau zu sterben. Stell dir vor, du stirbst, ohne dass je einer deine Brüste berührt hätte. Ohne dass je einer seinen Finger oder sogar noch mehr in dich gesteckt hätte. Ohne je geküsst worden zu sein oder auf ein Bett geworfen, und nicht nur auf den Mund geküsst, sondern auch auf deine Schenkel und auf deine Füße. Und dann du, die Schenkel des anderen küssend. Ein Mensch sollte alles probieren, bevor er stirbt, auch die Sachen, von denen die Priester sagen, das ist widerwärtig, spuck es aus. Eva hat den Apfel gegessen, und ich hätte es auch getan. Wäre ich eine alte Jungfer, die nie im Leben Sex hatte und im Krankenhaus auf dem Sterbebett liegt, ich würde mir einen jungen Doktor schnappen und ihm sagen, entschuldigen Sie, ich habe eine letzte Bitte, würden Sie mir einen Gefallen tun? Wie könnte er es mir verwehren? Er müsste mir seine Schenkel geben. Hätte ich mein Leben lang dem Apfel widerstanden, würde ich ihn essen, bevor ich ins Gras beiße.
    Ich hoffe, Helene hat den Apfel gegessen.
    Ich weiß, sie hat es.
    Ich hoffe, er hat ihr gut geschmeckt.

    HeyGirl,
beweg deinen Arsch mal rüber, bin hammerhart, bidu nass? B2
    Hi H:
Ja! Wann?
Dein «guter» FreundJon
    Liebe Helene,
ein tolles Gedicht über den Berg, wo «du» auf dem Felsen stehst! Ich glaube, das gäbe ein superstarkes Lied. Nur zur Info, das indische Buch, das du mir geliehen hast, ist spurlos verschwunden. Hast du es aus Versehen wieder mitgenommen? Eigentlich wollte ich mir ja nur die Bilder ansehen, ha ha, aber wenn du sagst, es sei gut, will ich es tatsächlich lesen. Beim Aufwachen hätte ich dich so gern geküsst, und dann vielleicht so wie letztes Mal… Rufe dich heute Abend gegen zehn an. Bist du in deinem Zimmer? Mom lässt grüßen,
Ende der Durchsage, Louis
    Offensichtlich ist er anders. Offensichtlich ist Louis derjenige, den Helene geheiratet hätte. Aber manchmal, finde ich, trägt er etwas zu dick auf. Außerdem kann man nicht alles glauben, was die Leute schreiben. Manche übertreiben. Gestern habe ich mindestens zehn E-Mails an ihn verfasst, aber keine schien genau richtig. Dann fiel mir ein, ich könnte eine E-Mail ohne Worte schicken. Einfach blanko von HeyGirl. Nur um zu sehen, wie er reagiert.
    Heute Nachmittag habe ich sie abgeschickt! Ich habe ungefähr zwei Stunden gebraucht, um auf Senden zu drücken. Ich kam mir vor wie der Mann mit dem Finger auf dem roten Knopf, der die Atombombe startet. Soll ich oder soll ich nicht? Als ich schließlichabdrückte, wurden die Wächter munter. Ich spürte einen direkt hinter meinem Rücken. Das war schön, weil es mir das Gefühl gab, etwas Wichtiges zu tun. Nicht bloß herumzuspielen. Die Wächter beobachten einen nur, wenn man einer Sache auf der Spur ist.
    Die Nachricht wurde gesendet
, meldete der Computer.
    Wer weiß, vielleicht glaubt Louis an Geister. Ich mag diese Art, wie er «du» schreibt, als er von dem Mädchen auf dem Felsen spricht. Er ist schlau genug zu wissen, dass das Mädchen im Gedicht Helene sein könnte oder nicht. Er versteht, dass Leute manchmal so tun, als wären sie jemand anders. «Du» könnte «jeder» bedeuten. Genau wie [email protected], wenn er «gut» schreibt, in Wirklichkeit «schlecht» meint.

Einundzwanzig
    Auf einmal fangen wir an zu kichern und können nicht mehr aufhören. Wir halten uns den Mund zu, aber die Laute kommen prustend und quietschend heraus. Kevin rollt sich auf dem Boden wie einer aus der Klapsmühle. Als ich die Geschichte vom Tod meines Großvaters erzählte, der über einen Hund gefallen war, wackelten die Wände. Ich spielte es sogar ein bisschen nach. Machte auf Herzinfarkt und so. Hilfe, sagte ich. Lieber

Weitere Kostenlose Bücher