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Mathilda Savitch - Roman

Mathilda Savitch - Roman

Titel: Mathilda Savitch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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den Schaden zu besichtigen. Ich frage mich, warum O wohl keine Kinder hat. Und ob sie sich welche gewünscht hätte. Vielleicht stimmt etwas nicht mit ihren Frauensachen.
    «Du kannst jederzeit in mein Zimmer kommen», sagt sie. «Wenn du dich ausruhen willst.»
    «Und zieh die Mütze aus, bevor du in die Klasse gehst.»
    «Mach ich», sage ich und weiche im Rückwärtsgang vor ihr zurück. Ich sehe die Rose zwischen ihren Fingern blitzen.
    «Kann ich das Taschentuch haben?», sage ich. O soll nicht noch mehr Macht über mich bekommen, als sie ohnehin schon hat. Und wenn es um Magie geht, ist Blut schlimmer als Haare. Als sie die Rose in meine Hand fallen lässt, fühlt es sich schwer und schlabberig an. Schlimmer als befürchtet. Ich stürze davon und rase den Flur hinunter, das blöde Ding wie ein rohes Ei in der hohlen Hand.

    Ich gehe nicht einmal an meinem Spind vorbei. Ich gehe direkt raus, ohne Mantel. Ich kann nicht blutverschmiert hier in der Schule bleiben. Ich weiß, dass Kevin um diese Zeit Holzarbeiten macht, also schleiche ich mich auf die Nordseite des Gebäudes, wo die Werkräume sind. Zuerst entdecke ich ihn nicht, weil da drin etwas anderes gemacht wird als Holzarbeiten, ich sehe Jungen mit Helmen und Lötlampen. Es muss Schweißen sein oder so was. Ich wusste gar nicht, dass so ein Kurs hier angeboten wird, sonst hätte ich mich eingetragen. Mit dem ganzen Feuer und Metall sieht es auswie in einer mittelalterlichen Ritterburg, wie der Geheimsaal, wo die Verbrechen vorbereitet werden.
    Ich erkenne Kevin von hinten, an seinem Hals. Außerdem sehe ich die schwarzen Stiefel mit den Ketten. Ein Feuerstoß kommt aus seiner Pistole. Funken stieben und tanzen um ihn herum wie Glühwürmchen. Was er da eigentlich bastelt, geht über meine Phantasie. Es ist ein schiefer Turm aus rostigem Eisenschrott. Eher eine Katastrophe als ein Kunstwerk.
    Leute durch Glasscheiben zu beobachten, ist so real wie sonst was. Kein bisschen anders, als ich mich normalerweise mit anderen Menschen fühle. Man kann sie sehen, aber nicht berühren. Ich klopfe ans Fenster, doch Kevin hört mich nicht unter seinem Helm. Als ich wieder klopfe, taucht aus dem Nirgendwo ein dicker Mann auf. Der Lehrer vermutlich, obwohl ich ihn noch nie gesehen habe. Sein Gesicht ist ganz zugewachsen mit Haaren. Ein Bart, und der Rest so gut wie Afro. Er ruft mir durchs Fenster etwas zu, aber ich verstehe nichts. Die Haarmassen blenden alles aus. Er kommt mir vor wie ein Bigfoot.
    Ich muss fast lachen, als ich den Hügel hinaufrenne. Den Hügel hinauf und unter die Bäume, die ihr buntes Laub abschütteln. Es ist wirklich eine schöne Schule. Sie könnten von Glück sagen, wenn Sie dorthin gehen dürften. Halb bricht es mir das Herz, ihr Adieu zu sagen. Ich fliege praktisch. Meine Füße machen ein erstaunliches Geräusch auf dem raschelnden orange-rot-braunen Teppich. Ich höre mich atmen wie in einer Filmszene: Verfolgungsjagd im Wald. Nur nicht stolpern, denke ich. Stolpern ist immer das Problem, wenn der mit dem Schlitzmesser kommt. Wenn du stolperst, bist du so gut wie todgeweiht. Der Böse holt dich in weniger als zwei Sekunden ein.
    Als die Bäume sich lichten, bin ich in der Stadt. Aber ich renneweiter. Direkt zum Bahnhof, habe ich mir vorgenommen, doch irgendwie lande ich vor einer Kirche. MARIA HILF und irgendwas von lieben Frauen. Das Gemäuer ist mindestens tausend Jahre alt. Sieht aus wie eins von den Gebäuden, die einem über dem Kopf zusammenbrechen können. Wirklich. Ich klopfe trotzdem an die Tür. Mir war ganz schön kalt ohne meinen Mantel. Nach ein paar Minuten Warten drücke ich das knarrende Holzding auf und gehe hinein. Wie ich gehört habe, braucht man für Kirchen keine Einladung. Anscheinend ist jeder willkommen. Was bedeutet, dass sich drinnen sicher Verbrecher und Prostituierte und Obdachlose tummeln. Aber zum Teufel, denke ich, immer noch besser, als mich totzufrieren.
    «Hallo?», sage ich. Aber niemand antwortet.

Achtundzwanzig
    Eine erhabene Welt nennen sie es, jenseitig. Es ist ein ganz realer Ort, aber in Anwesenheit Gottes. Hier sei man sicher, habe ich gehört. Aber, ehrlich gesagt, was mir zuerst auffiel, so richtig anheimelnd war es nicht, temperaturmäßig meine ich. Da knauserte wirklich jemand mit der Heizung. Aber vielleicht gehört das zur Stimmung. Die Kälte Gottes. Das ergibt Sinn. Kalt im Gegensatz zur Hölle. Wie die Christen sagen, soll es da unten ziemlich schwül sein.
    Es roch ein klein wenig nach

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