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Mathilda Savitch - Roman

Mathilda Savitch - Roman

Titel: Mathilda Savitch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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jederzeit mit dem Auto zu dir kommen, nächstes Wochenende oder wann immer nach 4. Oder du kommst mit dem Zug zu mir. Bist du noch in der Schule? Bitte sprich mit mir. Verdammt, Helene, ich kann kaum tippen, so zittern mir die Finger.
    Ein Auto springt an, und schon bin ich am Fenster. Aber es ist nur Pa. Ich nehme an, er geht sie suchen. Wahrscheinlich fährt er die Hauptstraßen auf und ab, wo die Restaurants sind und die Bars. Und wenn das nichts bringt, nimmt er sicher die dunklen Straßen in die Berge hinauf, vielleicht sogar bis zu den Wasserfällen.
    Auf einmal kann ich an nichts anderes mehr denken als an den Fluch der Savitchs, an Ma oder Pa, die direkt über die Klippe fahren. In meinem Kopf versuche ich, das Steuer zu übernehmen, um sie davor zu bewahren, aber ich bin so müde, dass ich am Ende die Kontrolle verliere.
    Obwohl es spät ist, rufe ich Anna an. Ihre Mutter nimmt ab, und ich hänge auf. Ich wünschte mir einfach nur, in Annas Bett zu schlafen, in den Laken mit dem Milchgeruch. Und sei es nur für fünf Minuten. Ein Nickerchen würde genügen.
    Ich kann nicht schlafen. War gerade reingekommen, als ich deine «Nachricht» fand. Tut mir leid, wenn ich so drauflos geschrieben habe, ich war etwas betrunken. Hoffe, du verstehst. Schlaflos denke ich an dich. Bitte schreib.
    Das war Louis’ zweite Nachricht. Die dritte hat nur vier Wörter.
    Bitte. Ich liebe dich.
    Was will er? Das ergibt keinen Sinn. Wenn er derjenige ist, der sie geschubst hat, müsste er doch wissen, dass sie tot ist. Mir wird leicht schwindlig. Ist
Helene Savage
ein anderes Mädchen? Wie kann er nicht mal den genauen Namen meiner Schwester kennen? Ich gehe noch mal an den Spiegel und betrachte mich genauer. Ich komme zu dem Schluss, dass ich wirklich nicht so gut wäre, Helene zu spielen.Ich bin hässlich. Ich weiß nicht, warum ich mich selbst belüge. Ein paar Tränen rollen mir über die Wangen, aber das ist nichts Besonderes. Vielleicht wäre es nicht das Schlechteste, wieder mit dem Baum zu reden.
    Ich wünschte, Pa wäre hier. Ich wünschte sogar, sie wäre hier.
    Liebe Ma, ich sehe dich. Manchmal bin ich dir ganz nahe. Ich sehe dich, aber ich kann nichts tun. Denkst du viel an mich? Wie geht es Pa? Und Mathilda? Bitte schreib mir. Alles Liebe, Helene
    Das ist die Nachricht, die ich vor ein paar Tagen geschrieben, aber nicht abgeschickt habe. Nachdem ich sie noch einmal durchgelesen habe, reiße ich mir drei Haare oben aus dem Kopf. Ich bekreuzige mich, wie Anna es mir gezeigt hat, und dann tue ichs. Ich drücke auf Senden.
    Danach schreibe ich ihm.
    Lieber Louis, ich komme zu dir raus, schreib mir bitte noch mal die genaue Adresse. H.
    Dann mache ich den Computer aus.
    Ich muss dahinterkommen, wer er ist. Wie er es getan hat. Es gibt viele Möglichkeiten, jemanden zu töten. Man braucht keine Pistole oder ein Messer, ja nicht einmal die eigenen Hände. Manche töten nur mit Gedanken. Manchmal muss man nur wünschen, jemand sei tot, und dann passiert es wirklich. Was ich will, ist Gerechtigkeit. Denn egal, wie man die Sache betrachtet, es hat ein Verbrechen gegeben.
    Ich kann nicht einfach rumsitzen und Däumchen drehen. Jemand muss die Geschichte zu Ende bringen.
    Als Gott Jeanne d’Arc erschienen ist, kam er als strahlender Engel. Danach tat sie alles, was er ihr sagte. Wenn man den Posten als Minister Gottes einmal angenommen hat, kann man nicht einfach kneifen. Man erledigt eben, was zu tun ist. Also was soll’s, wenn du Angst hast, überwinde sie.
Geh bis zum Ende
, sagt Phunka,
wo das Feuer ist, wo die Greifen leben. Zieh deine gottverdammten Stiefel an!

Siebenundzwanzig
    Angeblich hat jeder jemanden, der genauso aussieht wie er selbst. Aber sollte man nicht annehmen, diese Person lebte irgendwo am anderen Ende der Welt? Kann es sein, dass zwei Ausgaben einer Person in derselben Stadt leben, zur selben Schule gehen? In der Cafeteria redet Annas Double mit Carol Benton. Seltsam. Das Licht da drinnen ist so hell, dass man fast blinzeln muss. Anna lehnt hinten an der Wand und hat einen Fuß aus dem Schuh gezogen. Sie fährt sich mit dem Zeh übers Bein. Es sieht beinahe sexuell aus.
    Carol Benton drückt sich ihre Bücher mit verschränkten Armen an die Brust wie eine nachgeäffte ägyptische Statue. Ich weiß nicht, was sie zueinander sagen, aber klar, Carol Benton redet am meisten. Anna streicht sich zum zehnten Mal ihre blöden Haare hinters Ohr, auch wenn es nichts zu streichen gibt. Ich sage Anna, aber womöglich

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