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Mathilda Savitch - Roman

Mathilda Savitch - Roman

Titel: Mathilda Savitch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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sie, und ich gestand, eine kleine Hilfe hätte ich schon dabei gehabt. Als ich das sagte, kam Ma her und legte ihren Arm um mich. Ich fühltemich, als wären wir Lewis und Clark, zwei Berühmtheiten auf der Titelseite.
    An diesem Abend aß die ganze Familie im Wohnzimmer, weil niemand die Welt der Tiere zerstören wollte. Später, als alle schliefen, stand ich auf und ging in die Küche, um es mir noch einmal anzuschauen. Ich machte kein Licht an, sondern nahm eine Taschenlampe und leuchtete auf den Tisch. Es war wie ein Wunder. Es war wie wenn man die Welt aus dem All betrachtet, mit den Augen der Außerirdischen, und das geheime Leben aller Wesen sieht. Am liebsten wäre ich raufgegangen und hätte Ma geweckt, um ihr zu zeigen, wie es mit der Taschenlampe aussah. Aber ich wollte nicht so kindisch sein. Also ließ ich sie einfach schlafen.
    Morgens war alles weg, und das Frühstück stand auf dem Küchentisch. Ich war nicht sauer, weil ich mir dachte, dann erfinden Ma und ich eben was Neues. Aber das taten wir nicht. Wir kamen einfach nicht dazu. Ein paar Mal versuchte ich es mit meinen eigenen Welten, aber denen fehlte das Genie, und ich schmiss sie immer wieder um, sobald ich fertig war.
    Desmond kommt mir fast so vor, als hätte jemand es aus Knete und Brokkoli gemacht. Es gibt Hügel und Bäume, aber irgendetwas stimmt nicht. Wie ein Märchen, das in schlechte Zeiten geraten ist. Sogar die großen alten Häuser sehen wie Bruchbuden aus. Die Luft ist sauber, aber alle Autos sind pestende Pick-ups. Ich weiß nicht, warum Helene unbedingt hierher wollte.
    Wenn ich ihre Lebensgeschichte erzählen würde, ich würde ihr keine Fahrkarte nach Desmond in die Tasche stecken. Ich gäbe ihr eine nach Paris oder nach Hongkong oder sonst wohin. Irgendwo, wo es interessant ist. Kennen Sie das Spiel, was würden Sie machen, wenn Sie eine Million hätten? Helene und ich haben es manchmal gespielt. Oft waren ihre Antworten ziemlich langweilig,lauter Sachen, wie sie anderen Leuten helfen würde, sogar Fremden. Aber einmal, als sie mir die Haare flocht, fragte ich sie, wie sie das große Geld ausgeben würde, und sie sagte, sie würde im obersten Stock eines gläsernen Wolkenkratzers leben und sich jede Mahlzeit vom Zimmerservice bringen lassen, entweder Vanille-Milchshake oder Hähnchenbrust französisch, eine Spezialität aus Mas guter Küche. Es klang wie im Himmel. Helene sagte, es gäbe keine Wände, nur Fenster. Ich fragte sie, ob ich dann bei ihr wohnen dürfe, und sie sagte Ja. «Aber wenn ich heirate», sagte sie, «muss ich dich rausschmeißen.» Das sei in Ordnung, sagte ich ihr, dann würde ich eben in die Wohnung unter ihr im 99. Stock ziehen, und wir waren uns einig, das wäre die beste Lösung.
    In Desmond gab es keine Wolkenkratzer, das steht fest. Es gab auch sonst nicht viel. Die Straßen waren ziemlich menschenleer, und ich konnte mich nicht entscheiden, ob sie dadurch gefährlicher oder sicherer wurden. Mal so, mal so. Mal war es
Freitag der 13.
, dann wieder
Der Wind in den Weiden
. Ich ging in einen Süßwarenladen, um nach dem Weg zu fragen. Im Fenster hing ein selbst gemachtes Pappherz, und jemand hatte mit schwarzem Filzstift OFFEN auf das Herz gekritzelt. Als ich reinging, bimmelte eine Glocke. Eine echte Glocke, kein Ton. Ich kann Ihnen sagen, das war der Bonbonladen aus dem vergessenen Land. Alle Süßigkeiten waren in Gläser gestopft, und es roch etwas gammelig wegen der vielen Trockenfrüchte, mit denen sie wohl etwas dazuverdienen wollten.
    Ein alter Mann kam durch einen Vorhang in den Laden. Es war wirklich nicht mehr als ein Bettlaken in einer Türöffnung, und als er durchging, sah ich hinten eine alte Dame mit einer Tasse Irgendwas vor dem Fernseher sitzen. Ein elektrisches Heizöfchen glühte vor ihren Füßen. Sie klebte am Bildschirm, und wegen der Erkennungsmelodie konnte ich mir denken, dass gleich der Krieg losgehen würde.
    Als ich nach dem Weg fragte, guckte der alte Mann mich an, als hätte er von meiner Sorte schon genug gesehen. Ich dachte mir, ich sollte vielleicht auch ein paar Süßigkeiten kaufen, wer weiß, ob sie nicht verarmt waren. «Dann hätte ich auch gern noch welche von denen da», sage ich und zeige auf ein Glas mit dicken roten Kugeln.
    «Feuerbälle», sagt er. «Wie viele?»
    «Harold!» Die Stimme der alten Dame kommt wie ein Schuss von hinter dem Vorhang. «Wer ist da?!»
    «Kundschaft!», brüllt Harold zurück. Sie waren richtige Schreier, die beiden.
    «In einer

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