Matrjoschka-Jagd

fremdartigen Melodie gehörten.
    Nore Brand öffnete die Wagentür und ließ sich erschöpft auf den Sitz fallen.
    Nino Zoppa zog die Stöpsel aus den Ohren und schaute sie von der Seite an. »Was ist?«
    »Bucher wünscht uns zum Teufel.«
    »Super. Ein Grund zu bleiben.«
    Sie schnallte sich an. »Haben Sie eine Unterkunft gefunden?«
    »Ja. Im Gasthof Steinbock.«
    »In diesem alten Kasten?«
    Nino nickte. »Dort läuft vielleicht noch etwas. Wenigstens am Abend. Sonst krepiere ich. Diese Ruhe in den Bergkaffs. Das hält ja keiner aus.«
    »Warten Sie nur, bis Sie ein paar Jährchen älter sind.«
    Er schaute sie fragend von der Seite an. »So alt wie Sie?«
    »Zum Beispiel.«
    »Ich hoffe, dass ich nie so alt werde.«
    »Danke«, sagte sie. »Gehofft habe ich das auch einmal, aber das Leben kümmert sich selten um unsere Hoffnungen. Ich suche etwas für mich, bevor ich baden gehe.«
    »Baden?«
    »Haben Sie nicht gewusst, dass wir uns hier in einem Badeort befinden? Man kann hier gesund werden. Gute Luft, heilendes Wasser.«
    »Gesund?«, wiederholte er ungläubig. »Ich werde hier oben krank. Mir ist schon jetzt ganz schlecht.«
    Nore Brand startete den Motor. »Ich weiß, wo Sie zu finden sind. Sie werden wohl kaum eine Wanderung unternehmen.«
    Nino Zoppa schüttelte angewidert den Kopf. »Der Steinbock ist der einzige Gasthof mit einem guten Flipperkasten. Den werde ich heute Abend traktieren, bis er kollabiert. Übrigens, wenn Sie weiterfahren«, er wies mit dem Zeigefinger die Straße hinauf, »kurz nach der Bäckerei, dort steht ein Bauernhof. Die vermieten Zimmer.«
    Nore Brand drehte sich verblüfft zu ihm. »Woher …?«
    »Sie sind nicht der Hoteltyp, oder?«
    »Eher nicht.«
    »Ja. Und die Apotheke schließt gleich, falls Sie noch etwas brauchen.« Er grinste hocherfreut, als er ihr Gesicht sah.
    »Warum die Apotheke?«
    »Ich kann mich nur mit einer bestimmten Seife waschen, sonst bekomme ich Ekzeme. Markenseife natürlich.«
    »Muss ich mir das auch merken?«
    »Besser nicht, die Seife ist nur das eine und das andere ist zu persönlich.«
    Bevor sie etwas beifügen konnte, hatte er seine Tasche vom Rücksitz gerissen und stand neben dem Auto. »Mein Tag beginnt. Der Flipperkasten schreit nach mir.« Dann schlug er die Wagentür mit einem lauten Knall zu.
    Nore Brand sah im Rückspiegel, wie er davoneilte.
    Das war also ihr neuer Assistent. Der Zauberlehrling Nino Zoppa. Er sprach ein bisschen kroatisch, leider den falschen Dialekt, er war hartnäckig, er benötigte viel Rücksicht, Toleranz und die richtige Seife. Sein Gesang hörte sich an wie das Jaulen eines jungen Hundes und er war bei der Polizei, weil er heiraten wollte.
    Friede, Freude, Eierkuchen.
    Und er war cool. Deshalb durfte er keine Leidenschaft haben.

BEGEGNUNG IM KURBAD
    Nore Brand ließ den Wagen an der Straße stehen und ging den schmalen Fahrweg, der zum Bauernhof führte, zu Fuß weiter. ›Hans und Johanna Rieder‹ stand bei der Klingel. Sie drückte auf den Knopf und trat etwas zurück. Der große Garten war aus den Fugen geraten. Die Sonnenblumen waren verblüht. Die Vögel hatten sie vollständig geplündert. Nun standen sie nutzlos und schräg im Wind. Schwarze, leer gepickte Sonnen. Das Wetter hatte hier einiges durcheinandergebracht, aber niemand hatte Zeit gehabt, Garten und Umschwung wieder herzurichten. Sie hörte die Tür hinter sich aufgehen. Ein kleiner Junge schaute mit einem Auge durch den Spalt.
    »Mama kommt sofort«, meldete er. Die Tür ging dabei keinen Zentimeter weiter auf.
    Sie nickte ihm zu.
    Der kleine Junge schaute sie eine Weile prüfend an. Plötzlich verschwand er. Kurz darauf wurde die Tür mit einer energischen Bewegung aufgerissen. Auf der Schwelle erschien eine kleine, rundliche Frau mit feuerroten Haaren.
    Nore Brand nickte ihr grüßend zu. »Sie vermieten Zimmer?«
    »Eigentlich habe ich das Schild eben entfernt«, sagte die Frau und zögerte etwas, bevor sie weitersprach, »ich habe kaum Zeit, mein Mann ist seit gestern …« Sie hielt inne und musterte Nore Brand skeptisch.
    »Ich brauche nur ein Dach über dem Kopf. Bedienen müssen Sie mich nicht. Ich mag Hotelzimmer nicht, deshalb bin ich hier.«
    Die Frau betrachtete sie einen Moment zweifelnd, bevor sie die Tür freigab. »Kommen Sie. Ich mache Ihnen einen Spezialpreis. Nur damit ich nichts mit Ihnen zu tun habe.« Sie lachte.
    Nore Brand folgte ihr erleichtert ins Haus. Überall Stallgeruch, Duft von frischer Wäsche und von