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Matrjoschka-Jagd

Matrjoschka-Jagd

Titel: Matrjoschka-Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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und stetig, denn der Kaffee von Elsi Klopfenstein war ungeheuer stark.
    Elsi Klopfenstein lachte hämisch. »Bucher stellt sich dumm, der will das gar nicht sehen. Es ist auch bequemer so. Der hat seine Pflicht nie getan. Der lässt alle Reichen im Tal besoffen am Steuer sitzen. Bucher tut nichts. Und all die Fremden, die hier schwarz arbeiten, aber der Bucher tut nichts dagegen. Der vergräbt sich tagtäglich lieber hinter seinem Verwaltungskram und jammert am Stammtisch über seine Arbeit. So ein Schlufi.« Sie beugte sich zu Nore Brand. »Wetten, dass er dafür etwas einstreicht. Der steckt doch mit denen unter einer Decke.«
    Elsi Klopfenstein ließ sich in ihrem Stuhl zurückfallen. »Wir wussten von Anfang an, dass der nicht zu gebrauchen ist, aber reklamiert hat keiner. Und ehrlich gesagt, ich auch nicht. Keiner wird gerne kontrolliert. Bei dem war klar, dass er nichts in den Griff bekommt. Der kennt Recht und Ordnung nur aus dem Wörterbuch, aber Sie können lange warten, bis hier irgendeiner dagegen protestiert. Da müsste es erst mal Tote geben.«
    »Wie Frau Ehrsam zum Beispiel«, sagte Nore Brand.
    Erschrocken hob Elsi Klopfenstein ihr Gesicht. »Frau Ehrsam? Ich weiß nicht. Sie war eine sehr gebildete Frau und mit der Mafia hatte sie ganz sicher nichts zu tun, auch wenn sie Russisch konnte.« Sie schlürfte schweigend ihren Kaffeebecher leer und brütete eine Weile vor sich hin.
    »Früher einmal«, sie deutete mit dem Kopf in Richtung See, »nannte man das Wasser dort Totenseelein. Das ist lange her. Ich glaube, man hat den Namen den Kurgästen zuliebe geändert. Wer will denn an einem Totenseelein kuren?« Sie kicherte vor sich hin. »Für meine Kasse wär’s auch nicht gut. Aber meine Großmutter hätte gesagt, der See habe sich gerächt, weil man ihm seinen Namen weggenommen hat.«
    Sie dachte einen Augenblick nach. »Jaja, das sind Geschichten von gestern, damit kommen Sie nicht weiter. Dieser Polizist Bucher, der müsse sich vor jeder Aufregung hüten, habe ich damals in der Bäckerei gehört. Seine Frau hat es erzählt. Man hat ihn hier hinaufgeschickt wegen der Höhenluft.«
    »Und Bucher schickt mich zu Ihnen.«
    Elsi Klopfensteins Gesicht wurde lang. »Der? Zu mir?«
    »Ja.«
    »Und er selbst wollte von mir gar nichts wissen. Nicht eine einzige Frage hat er gestellt.«
    »Er denkt offenbar, dass Sie mir weiterhelfen können.«
    Über Elsi Klopfensteins Gesicht huschte ein schlaues Lächeln. »Das habe ich soeben auch gemacht. Oder etwa nicht?«
    Nore Brand lächelte zurück. »Vielleicht. Obwohl ich etwas anderes erwartet habe. Hat wirklich kein Mensch, außer den Kurgästen natürlich, Ihnen Fragen gestellt?«
    Elsi Klopfenstein lehnte sich zurück. »Doch. Der Direktor. Und der Doktor natürlich.«
    »Doktor Fischer?«
    Elsi Klopfenstein nickte. »Ja. Aber der Direktor hat vor allem selbst geredet. Der redet zu viel. ›So eine traurige Angelegenheit‹ sagte er immer wieder. Dass der das wirklich meint, glaubt ihm ja kein Mensch.«
    »Was wollte er denn wissen?«
    Elsi Klopfenstein warf ihr einen kurzen Blick zu. »Nichts Spezielles. Ob jemand in der Nähe gewesen sei, als es passiert sei. Ob jemand etwas gesehen haben könnte.«
    »Und? War jemand in der Nähe? Hat vielleicht jemand etwas gehört?«
    Elsi Klopfenstein nickte. »Und ob.«
    Diese Frau ließ sich bitten. Das war die Strafe dafür, dass man sie hatte warten lassen. Und jetzt nicht drängen, nur nicht drängen, hörte sie Bastian Bärfuss mahnen.
    »Würden Sie mir erzählen, wie Sie den Morgen des Unfalls erlebt haben?«
    »Sicher.«

     

ELSI KLOPFENSTEIN ERINNERT SICH
    Elsi Klopfenstein berichtete vom vergangenen Samstagmorgen, als sie zum letzten Mal, so dachte sie zumindest, vor Einbruch des Winters auf ihrem Fahrrad den Wald entlang Richtung See radelte, um ihren kleinen Kiosk für die Gäste des Grandhotels Belvedere vorzubereiten. Wie jedes Jahr hatte sie im Sinn, ihr Bretterhäuschen sorgfältig abzuschließen, und zwar um Punkt halb fünf, denn es war der 20. Oktober. Bevor sie auf ihr altes Fahrrad stieg, würde sie die staubige Tafel hinter dem Vorratsschrank hervorholen und wie immer zum Ende der Saison an den großen, rostigen Nagel mitten auf den Fensterladen hängen: ›Bis Ostern geschlossen. Auf Wiedersehen. Elsi Klopfenstein.‹ Als sie frühmorgens losfuhr, hatte sie nicht den geringsten Grund, daran zu zweifeln, dass es an diesem Tag genauso sein würde. Der letzte Arbeitstag der Saison würde um Punkt

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