Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Matrjoschka-Jagd

Matrjoschka-Jagd

Titel: Matrjoschka-Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
Vom Netzwerk:
auch nicht mehr. Und überall diese Hast.« Sie schaute die Kommissarin an. »Im Frühling dachte ich, ich könnte es doch wieder einmal versuchen. Ich brauchte einen Sommerrock. Meiner ist etwas eng geworden über den Winter. Eingegangen etwa. Was lange im Schrank hängt, wird mit der Zeit eben etwas eng.« Sie zwinkerte Nore Brand zu. »Und am nächsten Tag stand in der Zeitung, dass ein junger Drogensüchtiger eine alte Frau überfallen habe, niedergeschlagen, und das am hellen Tag mitten in der Stadt. Niemand hat ihr geholfen. Niemand. Die Leute sind an ihr vorbeigegangen, als ob nichts wäre. Niemand will sich einmischen, alle haben Angst. Was ist das für eine Welt.«
    Elsi Klopfenstein schüttelte ungläubig den Kopf. »Deshalb bin ich nicht gegangen«, sagte sie und schaute sich um dabei. »Lärm und Hektik ertrage ich nicht mehr. Und den Sommerrock habe ich selbst etwas ausgelassen. Zum Glück haben die Nähte noch etwas hergegeben. Aber jetzt ist Schluss. Mit den Nähten, meine ich«, setzte sie hinzu, bevor sie geräuschvoll ihren Kaffee schlürfte.
    Nore Brand lehnte sich im Stuhl zurück und spürte nach, wie das Getränk sie von innen aufwärmte.
    »Nicht nur das Teure ist gut«, murmelte Elsi Klopfenstein, die Nore Brand nochmals einer gründlichen Musterung unterzog. Diese Frau war keine von den mageren Stadtweibern, die so oft ins Tal heraufkamen und zum großen Glück immer wieder verschwanden. Sie hatte Fleisch auf ihren Knochen. Schöne Rundungen, wie sie einer richtigen Frau gut standen. Und schöne Augen. Braun und aufmerksam. Walliserblut vielleicht.
    Aber die feinen Stadtstiefelchen der Kommissarin, die waren nicht mehr zu retten. Die taugten nichts hier draußen. Wenigstens genoß sie ihren Kaffee. Und 20 war sie längst nicht mehr, hatte wohl auch ihre Sachen erlebt.
    Nore Brand ließ die Musterung gleichmütig über sich ergehen.
    »Sie waren mit Bucher da. Warum macht der das eigentlich nicht selbst?«
    »Ihm fehlt die Zeit dazu.«
    »Der«, sagte Elsi Klopfenstein höhnisch, »der und keine Zeit. Der hat für nichts Zeit. Den hat man hergeschickt, weil man glaubt, dass bei uns oben sowieso nichts passiert. Der hätte einen Kuraufenthalt gebraucht.« Elsi Klopfensteins Stimme war lauter geworden. »Und überhaupt, was weiß man in Bern, was sich hier so tut?« Sie warf der Kommissarin einen Seitenblick zu. »Nehmen Sie es mir nicht krumm, aber Sie gehören ja auch dazu.«
    Nore Brand lachte. »Was tut sich denn so?«
    Elsi Klopfenstein zögerte. Sie schien ihren Ausbruch zu bereuen. »Es gibt Gerüchte.« Sie verstummte und schaute Nore Brand skeptisch an.
    »Gerüchte?«
    »Üble Sachen«, sagte Elsi Klopfenstein und schaute sich um. »Da kann die Polizei nichts machen, der Bucher schon gar nicht. Glauben Sie mir, wenn Sie wüssten, wären Sie erst gar nicht hergekommen. Man sagt, die Russen-Mafia habe sich im Belvedere eingenistet. Deshalb hat Bucher doch die Hosen voll. Vielleicht mischen die von Bern auch noch mit und wollen gar nicht zu viele Polizisten hier oben. Denen habe ich noch nie getraut. Weder den Herren von Bern noch den Polizisten.« Elsi Klopfenstein schaute grimmig vor sich hin.
    Zu den ›Herren von Bern‹ hatten sich längst auch ein paar Frauen gesellt. Aber egal. Die Schlagzeilen der Boulevard-Presse hatten offenbar auch in diesem abgelegenen Winkel des Landes Nährboden gefunden.
    »Eine Schweinerei ist das«, fügte Elsi Klopfenstein nach einer weiteren Runde von düstersten Gedanken hinzu. Dann beugte sie sich verschwörerisch vor. »Im Hotel residiert seit längerer Zeit eine Russin. Mein Neffe sagte, dass sie mit dem Direktor unter einer Decke steckt. Bald werden hier lauter Luxushotels stehen, die der Russen-Mafia gehören. Die kaufen noch mal das ganze Tal.« Sie deutete mit dem Kinn nach Westen. »Das Saanenland ist voll. Bis heute hat der Teufel immer auf den großen Haufen geschissen. Aber bald kommt er zu uns. Das möchte ich nicht mehr erleben, dass wir eines Tages nicht mehr Herr und Meister sind in diesem Tal wie die dort drüben. Aber eben, das ist bei uns nicht anders als bei denen. Da muss nur einer mit einem Bündel Banknoten winken und schon schmeißt jeder seine Mistgabel hin und vergisst Haus, Land und Kühe. Es sind doch alle gleich! Gegen die Mafia kann ein Polizist alleine nicht viel ausrichten.«
    Die Mafia, immer wieder die Mafia. Niemand hatte Beweise, aber die Wut fand ihr Ventil. Darum ging es meistens. Nore Brands Laune hob sich langsam

Weitere Kostenlose Bücher