Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Matrjoschka-Jagd

Matrjoschka-Jagd

Titel: Matrjoschka-Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
Vom Netzwerk:
herkommen sah, erhob sie sich und ging zum blitzenden Wurlitzer.
    Sie studierte die Titel.
    Die Musik ihrer Jugend. Rolling Stones. Damals skandalös und aus heutiger Sicht beschämend harmlos. Ihre Mutter hatte einen Abend lang laut geheult, als ihre Eleonora verkündete, dass sie nach Zürich fahre, für ein Rockkonzert.
    Nore Brand warf eine Münze ein.
    She’s like a rainbow, dieses Stück mit dem melodiösen Anfang und den Ohren verstörenden Misstönen am Schluss. Sie liebte es immer noch. Und Jagger sang immer noch, diese Rockmumie.
    Nore Brand ging zum Tisch zurück, setzte sich hin und bediente sich.
    Drei Minuten später erschien Nino Zoppa. »Es tut mir leid«, murmelte er, als er saß.
    »Was denn?«, fragte Nore Brand neugierig. »Was tut Ihnen leid?«
    »Dass ich vorher nichts anhatte.«
    »Das ist mir egal, aber Verspätungen liegen von nun an nicht mehr drin.«
    Nino Zoppa dachte eine Weile nach. »Ja, gut. Man kann immer mal probieren.«
    »Übrigens, zum Frühstücken bleibt nicht viel Zeit.«
    Nino Zoppa schaute sie ungläubig an. »Sie sind knallhart«, murmelte er, »knallhart, dabei habe ich doch erst …«
    Nore Brand zerknüllte die Papierserviette und warf sie in den Teller. »Ich war eben am See. Ich wollte zuerst zu Frau Petrovic wegen dieses Briefs, aber Bucher hat mich heute früh zu Elsi Klopfenstein geschickt.« Nore Brand erzählte kurz, was sie an diesem Morgen erfahren hatte.
    Beim Stichwort ›Russen-Mafia‹ wurde Nino Zoppa auf einen Schlag hellwach.
    »Nicht mehr als Gerüchte im Moment. Also, zurück zu Jelena Petrovic. Es wird höchste Zeit, dass wir mit ihr sprechen. Vielleicht erinnert sie sich an die Adresse auf dem Briefumschlag.«
    Nino Zoppa beugte sich über den Tisch und senkte seine Stimme. »Der Wirt hat mich gestern gefragt, warum ich hier sei. Ich sagte ihm einfach, ich würde mich heute im Belvedere vorstellen. Als Kellner. So ein Laden sucht doch immer Personal. Oder?« Er schaute sie von unten herauf an. »Und wissen Sie, wie der reagiert hat? Ausgelacht hat er mich, laut ausgelacht. Ich könne ja mal versuchen, aber vorher solle ich mir Zöpfchen wachsen lassen und einen tollen Arsch anfressen. Der Oberkellner bestimme dort, wer herkomme. Dieser Kerl sei hinter allen Frauen her. Natürlich bevorzugt er Blondinen. Aber wenn die Haare lang genug seien, spiele auch die Farbe keine Rolle.«
    »Was für eine Überraschung.«
    »Denken Sie, dass Jelena sich so etwas gefallen lässt?«
    »Woher soll ich das wissen? Es gibt Frauen, die das mögen.«
    »Jelena nicht, das kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Das ist aber nicht unser Problem. Los jetzt, ins Grandhotel. Zuerst kommt der Direktor dran und dann sprechen wir hochoffiziell mit Jelena Petrovic. Das wird sie schützen, falls sie überhaupt Schutz braucht.« Sie erhob sich. »Wir haben noch immer nichts Handfestes. Möglicherweise machen wir uns bereits etwas lächerlich.«
    »Lächerlich? Und wenn schon. Falls es wirklich so ist, dann profitieren wir davon. Es ist vielleicht ganz praktisch, wenn wir nicht so clever wirken, oder?«
    »Erzählt man neuerdings solche Dinge in der Polizeischule?«
    »Nein«, grinste er, »das ist reine Lebenserfahrung.«

     

PRIVILEGIEN IM GRANDHOTEL
    In der Eingangshalle des Grandhotels Belvedere schaute sich Nore Brand genauer um als am Vortag. Sie musste ihre Sinne wach rütteln. Genauer hinschauen, genauer riechen und spüren. Aber nie verbissen, ja nie zu verbissen, hatte Bastian Bärfuss gesagt. »So als ob dich das Ganze im Grunde gar nichts angehen würde. Erst dann siehst du die wichtigen Dinge.«
    Nore Brand hatte nichts in der Hand. Das hier würde kein Sonntagsspaziergang werden. Sie dachte an Buchers Panik.
    Der junge Mann am Empfang begrüßte sie mit der sanften Liebenswürdigkeit, die zu den roten Samtvorhängen passte.
    Er verzog keine Miene, als sie ihm ihre Dienstmarke zeigte. Möglicherweise war es sogar derselbe junge Mann, der am Vortag hier gestanden hatte. Aber Vergesslichkeit war Alltag in diesem Paradies der Alten und Reichen. Er bat sie, sich einen Augenblick hinzusetzen und verschwand durch eine Tür. Nore Brand blieb stehen, sie musste aufmerksam bleiben.
    Nach einer Weile kam er zurück. Mit einer Botschaft, die den Gast beglücken würde. »Der Direktor verabschiedet einen Gast. Er wird Sie gleich empfangen.«
    Er sagte es so, als ob er ihr ein unverdientes Geschenk überreichen würde.
    »Vielen Dank«, sagte Nore Brand freundlich.
    Sie blickte sich

Weitere Kostenlose Bücher