Matrjoschka-Jagd
Ihnen gerne geholfen.« Er zwinkerte ihr zu.
»Sie wissen also nichts Genaueres?«
Er schien verwirrt. »Ich habe gehört, dass die Frau auf ihrem Spaziergang einen Herzanfall erlitten hat. Das ist alles.«
»Haben Sie hier je etwas von der Russen-Mafia gehört?«, fragte sie unvermittelt.
Er überlegte kurz und lachte dann. »Ja, es gibt ein paar Spinner, die darüber reden und der Ansicht sind, dass diese russische Tänzerin im Hotel Belvedere der Kopf der Organisation sein soll. Aber sie ist ja krank, sagt man.« Er verzog sein hübsches Gesicht. »Panikmacherei, nichts als Panikmacherei. Man hat schon von der Türken-Mafia gesprochen, als ich noch in die Schule ging. Der Mann, der damals tätlich angegriffen wurde, ist heute im Gemeinderat und er fördert die einheimische Folklore. Ein Türke sorgt dafür, dass hier alles beim Alten bleibt. Einige seiner ursprünglichen Gegner finden heute, er sei der nächste Gemeindepräsident. Letzthin hat er sich an einer Versammlung gegen die Aufnahme von weiteren Asylanten gewehrt. Er hat den größten Applaus gehabt. Sein politischer Instinkt ist erstaunlich. Er wird es sehr weit bringen. Haben Sie sein Geschäft gesehen? Eine Goldgrube.« Er zeigte seine gesunden Zähne. »Dass ausgerechnet ein Türke das Edelweiß wiederentdeckt.« Er schüttelte den Kopf. »Und heute rennen alle Touristen seine Bude ein. Alle wollen Ware mit Edelweiß.« Er schaute sich in seinem Geschäft um. »Bei mir werden Sie kein Edelweiß entdecken. Ich setze auf Marken für die Jungen und ich lebe nicht schlecht. Es geht auch ohne Edelweiß.«
Als sie das Sportgeschäft verließ, warf sie einen Blick auf die Uhr. Da war doch noch etwas?
Nino. Sie hatte Nino Zoppa vergessen. Sie fuhr auf direktem Weg zum Gasthof Steinbock.
»Herr Zoppa?«, brummte der Steinbockwirt und kratzte sich am Hinterkopf. »Wo haben wir den untergebracht?« Er blätterte in seinen Papieren. Seine Glatze leuchtete im künstlichen Licht. Das Hemd war fleckig und zerknittert. Nore Brand schaute sich um. Dieser Gasthof war eindeutig abbruchreif, der Zahn der Zeit war heftig am Werk gewesen, an den Wänden, am Treppenhaus, an der Bar und an Tischen und Stühlen. Auch an den Besitzern.
»Was suchst du?« Die Frau, die hinter dem Wirt auftauchte, erinnerte Nore Brand an ein Zirkuspferdchen, so wie man sie früher ausstaffierte. Die Ketten um den Hals und die Handgelenke klimperten unablässig. Unter den stark geschminkten Augen hingen dicke Tränensäcke.
»Wo haben wir Zoppa untergebracht?«
Die Wirtin lachte laut. »Der pennt sicher noch.«
»Der Kerl war nicht vom Flipperkasten wegzubringen«, sagte die Wirtin. Ihre Stimmbänder mussten irgendwann einmal unter eine Schleifmaschine geraten sein. Sie schaute Nore Brand eine Weile skeptisch an. »Wenn Sie den brauchen, dann müssen Sie ihn aus dem Bett holen. Erster Stock, Zimmer 103. Da, die Treppe hoch.«
Der Gang war lang und dunkel. Nore Brand suchte vergeblich nach einem Lichtschalter. Sie ging von Tür zu Tür und ertastete sich die Nummern. Als sie eine Drei fühlte, klopfte sie energisch an. Sie horchte. Nichts bewegte sich. Sie klopfte stärker, dann legte sie ihr Ohr an die Tür und wartete. Wieder nichts. Insgeheim schrieb sie seinen Versetzungsantrag.
Sie schlug mit der flachen Hand auf die Tür. Endlich hörte sie, wie sich jemand an der Tür zu schaffen machte. Dann erschien er.
»Was ist los?« Mit verklebten Schlafaugen versuchte er im Dämmerlicht zu erkennen, wer an seiner Tür stand. »Frau Brand?«
»Wer denn sonst? Ich warte unten. Und vergessen Sie nicht, etwas anzuziehen.«
Nino Zoppa blinzelte sie verwirrt an. »Anziehen?«
»Ja. Das wäre vielleicht besser.«
Er schaute verwirrt an seinem nackten Körper hinunter. »Scheiße«, murmelte er und schloss rasch die Tür.
Nore Brand eilte die knarrende Treppe hinab und suchte sich einen freien Tisch in der Gaststube.
»Das kann noch eine Weile dauern«, meinte die Wirtin, »was darf ich Ihnen inzwischen bringen?«
»Ein Frühstück mit Milchkaffee, bitte«, antwortete Nore Brand und begann in ihrer Tasche nach etwas zu suchen. Sie wusste nicht was, aber sie befürchtete ein Kreuzverhör, falls sie dieser Frau die geringste Möglichkeit zu einem Gespräch gab.
Die Wirtin begriff und zog ab. Ihre Kettensammlung klingelte empört auf. In einer Ecke des Saals stand ein auf Hochglanz polierter Wurlitzer, daneben der Flipperkasten. Als Nore Brand die Wirtin mit einem beladenen Tablett wieder
Weitere Kostenlose Bücher