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Matrjoschka-Jagd

Matrjoschka-Jagd

Titel: Matrjoschka-Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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mitlief, wer den Nerv hatte, die Rennbahn zu ignorieren.
    Der Herr vom Empfang schien Ordre bekommen zu haben. Er führte sie in einen kleinen Raum gegenüber der Eingangstür, in dessen Mitte ein runder Tisch mit fünf Stühlen stand. Antik natürlich. Die Vorhänge leuchteten so golden wie der Bezug der Stühle. Auf dem Tisch stand ein Aschenbecher aus Porzellan. Er war so sauber, dass es einer Schandtat gleichkäme, ihn mit Asche zu beschmutzen. Der freundliche Mann, auf dem Schildchen an seiner Brust stand ›Viktor Heller‹, zog einen Stuhl zurück. Hoffentlich klappte es diesmal.
    »Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?«
    »Einen doppelten Espresso, bitte.«
    Viktor Heller verließ den Raum, lautlos und dienstbeflissen.
    Sie dachte an die Bemerkung des Direktors, dass Bucher etwas verwirrt wirke. Nein, es war Angst, die reine Angst. Bucher gehörte zu der Sorte Polizisten, die ihre Arbeit peinlich genau ausführten, er war ein Spürhund, die Nase unablässig an der Spur, bis das Ziel erreicht war. Dazu brauchte er viel Zeit, denn er wollte präzise arbeiten. Er befolgte alle Vorschriften, hielt sich an sämtliche Regeln und ging unter dabei, weil kein einziger Chef für diese Sintfluten von technokratischen Meldungen an Rettungsringe gedacht hatte. Kein Tag verging ohne Anpassungen von unzähligen Vorschriften, von denen niemand etwas wusste. Doch die Anpassungen mussten sein.
    Buchers Ziel war Qualitätsarbeit. Daran litt er. Die Zeit, die er zum Studium der neuen Weisungen brauchte, erlaubte ihm kaum, die Alltagsarbeit zu bewältigen. Die andere Seite seines Problems lag im Dunkeln, doch es hatte auch mit dem Tod von Klara Ehrsam zu tun. Er hatte eine Untersuchung versäumt, nein, nicht versäumt, eher unterlassen. Das wusste er ganz genau und er lebte sehr schlecht damit.
    Nore Brand erhob sich vom Stuhl und trat an das Fenster, das auf den Parkplatz hinauszeigte. Sie dachte an die Begegnung mit Jelena Petrovic. Keine 24 Stunden waren seither vergangen.
    Eine silbergraue Limousine verdeckte ihren Volvo. Hier war das gut so.
    Ein junger Mann in einer blauen Schürze fegte Herbstblätter auf einen Haufen. Nore Brand schaute auf zu den Baumkronen. Vieles war noch grün, nur einzelne Äste trugen verfärbte Blätter, gelb und rot. Der arme Kerl würde noch einige Wochen mit den bunten Blättern beschäftigt sein, bis der Schnee alles zudeckte und das monatelange Schneeschaufeln losging.
    Sie drehte sich um, als die Tür hinter ihr lautlos aufging. Viktor Heller nickte ihr zu und stellte ein silbernes Tablett auf den Tisch. Die Tasse mit der vielversprechenden dunkelbraunen Brühe, daneben eine silberne Zuckerschale, auf einem Tellerchen Konfekt und Pralinen.
    Sie dachte an Bastian Bärfuss. Wie er im Büro saß, vor sich die hübsche Zuckerschale. An seiner Pfeife kauend.
    »Herr Benvenuto wird gleich hier sein.«
    »Herr Heller, haben Sie Frau Ehrsam gekannt?«
    Viktor Heller lächelte verunsichert. »Nnnein. Das kann ich nicht sagen, das wäre übertrieben. Wir haben bloß ab und zu einige Worte gewechselt.«
    »Wie würden Sie Frau Ehrsam beschreiben?«
    Viktor Heller dachte angestrengt nach.
    »Sie brauchen niemanden zu schonen.«
    »Sie war etwas seltsam, ich weiß nicht, wie viele Frauen in diesem Alter so sind. Sein können«, fügte er rasch bei.
    »Was meinen Sie mit seltsam?«
    »Sie kommandierte uns herum, offenbar war sie es gewohnt zu befehlen. Sie konnte überhaupt nicht anders als herumbefehlen.« In seinen Augen blitzte Ärger auf.
    »Und das ärgerte Sie, weil Sie wussten, dass Frau Ehrsam Gast des Hauses war?«
    »Ja, ich fand das unverschämt. Aber die anderen hatten sie nie anders erlebt. Ich bin neu hier.«
    »Gespräche gab es also nicht?«
    »Nein.«
    »Sie überwachen die Telefonate, nicht wahr?«
    »Ja, aber Frau Ehrsam brauchte sie nicht zu bezahlen.«
    »Aber Sie wissen trotzdem, ob sie in den letzten Tagen öfter telefoniert hat.«
    Er hob die Schultern und zog die Mundwinkel herunter. »Das ist immer so, kurz bevor die Gäste abreisen, telefonieren sie mit ihren Angehörigen. Viele werden abgeholt, aber manche telefonieren oft hin und her, bis jemand Zeit für sie hat. Viele sind natürlich mit dem eigenen Wagen da.«
    »Haben Sie zufälligerweise«, Nore Brand betonte das letzte Wort, »mitbekommen, mit wem Frau Ehrsam zuletzt telefoniert hat?«
    Viktor Hellers Gesicht zog sich zusammen. Was für eine ungeheuerliche Anschuldigung.
    »Nein«, sagte er knapp.
    »Danke, Herr

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