Matrjoschka-Jagd
Magen verträgt das nicht.«
»Liebe Elvira«, die hohe Stimme des Anwalts drang mühelos durch die Wände, »das letzte Geheimnis unserer Freundin weiß nur ich. Und dieser Kerl aus St. Petersburg. Hähäää.«
»Trink deinen Kaffee, habe ich gesagt.«
Da wurde es still. Offenbar gehorchte er endlich und trank seinen Kaffee. Dann näherten sich harte, kurze Schritte der Tür. Elvira.
Nore Brand eilte die Treppe hinunter und verließ das Haus des Anwalts. Draußen empfingen sie angenehme Temperaturen. Sie pfiff durch die Zähne. Sieben Millionen für die Heilsarmee.
Aber wer war dieser Kerl aus St. Petersburg?
Als Nore Brand wieder in ihren Wagen einstieg, tastete sie nach dem froschgrünen Apparat, der während der nächtlichen Fahrt unter den Führersitz gerutscht war. Nino Zoppa meldete sich sofort.
»Nino, was ist mit der russischen Primaballerina? Hast du etwas gefunden.«
»Nein, in Sibirien kann man nicht surfen. Dort ist es viel zu kalt ohne Markenmütze.«
»Nino!«
»Okay. Ich weiß alles über das Bolschoitheater, aber über eine tanzende Stania Matiowa gibt es nichts. Rein gar nichts.«
»Das erstaunt mich nicht. Mit dieser Diva stimmt tatsächlich etwas nicht. Sie soll die neue Geliebte des Direktors sein.«
Sie hörte Nino mit einem zischenden Geräusch die Luft einziehen.
»Sex and Crime. Dieser Tweedgorilla beginnt mir zu imponieren.«
»Erstaunlicherweise kann diese Russin nicht russisch. Ich fahre los und du suchst weiter. Du hast viel Zeit, bis ich zurück bin.«
»Bis ich Vierkantaugen habe. Noch etwas. Hat Frau Ehrsam den Direktor tatsächlich begünstigt?«
»Nein, hat sie nicht. Mit ihrem letzten Brief hat sie es nochmals geändert.«
Nino atmete hörbar auf. »Diese Klara Ehrsam war ja eine heiße Nummer. Dieser Schickimicki-Gorilla tauscht sie ein gegen eine junge Russin, aber die würdige Dame hat für solche Späße kein Verständnis. Logo, das muss bestraft werden. Nore, weißt du was? Ich begreife nicht, warum Männer immer klagen, Frauen könne man nicht verstehen.«
DER HOTELDIREKTOR IN EINER PEINLICHEN LAGE
Zweieinhalb Stunden später, zwischen Zweisimmen und Blankenburg, bog Nore Brand in einen Feldweg ein. Sie stellte den Motor ab und packte ihr Handy. Nach dem dritten Zeichen raschelte und rauschte es im Apparat. Darüber erklang eine helle Stimme.
»Kunsthandlung Petermann, Maria Volta am Apparat.«
»Und? Was hast du herausgefunden?«
»Nore, du.«
»Ja, natürlich. Hast du etwas herausgefunden?«
»Zuerst muss ich dir sagen, dass du meine Karriere ruiniert hast. Mein Chef hat getobt, als er erfuhr, womit ich den ganzen Morgen verbracht habe.« Sie machte eine Pause, um die Botschaft wirken zu lassen.
»Das tut mir leid. Aber mach schnell. Mein Akku ist fast leer.«
»Das sagt heutzutage jeder.« Marias Atem zischte durch die Leitung. »Also gut. Deine Arbeit führt dich in ganz besondere Häuser, aber ich beneide dich nicht darum. Nur eines muss ich wissen: Geht es wirklich um Leben und Tod?«
»Vor allem um Tod.«
»Warum sagst du das nicht gleich. Also, das Einzige, was ich dir sagen kann, ist, dass viele Werke von Simmer in keinem Katalog aufgeführt sind.«
»Du redest vom großen Simmer?«
»Ja, natürlich.«
»Weiter«, drängte Nore Brand.
»Dass nicht alles im Katalog aufgeführt ist, muss noch nichts heißen. Simmer war von Anfang an unsystematisch, aber es wurde immer schlimmer. Er fertigte immer wieder Listen an, doch keine war je vollständig. Er hatte schon früh die Übersicht über seine Werke verloren, nur helfen lassen wollte er sich nie dabei. Das ist immer so bei diesen Künstlerchaoten. Aber«, sie hob ihre Stimme, »eines ist ganz sicher gefälscht. Das Triptychon nämlich, das habe ich kürzlich in einer Privatsammlung gesehen. Offiziell gilt es als verschollen, aber es ist aufgetaucht. Frag mich nicht, wie das kommt. Im Kunsthandel war und ist alles möglich.«
»Maria, ich weiß genug. Ich fürchte, dass die dritte Leiche fällig ist. Bis bald.«
»Fällig? Die dritte Leiche? Nore, du bist herzlos«, rief Maria Volta, aber Nore Brand hatte sich bereits aus dem Gespräch geklinkt.
Das nächste Ziel war Bucher. Nach einer kurzen Unterhaltung ließ Nore Brand ihren Wagen einmal mehr auf dem Parkplatz des Hotels Belvedere stehen. Bucher hatte sich nicht gefreut über ihr Auftauchen, daran hatte sie sich inzwischen gewöhnt. Doch sobald eine Ermittlung in die Endphase ging, durfte man nicht zu viele Feinde haben und
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