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Matrjoschka-Jagd

Matrjoschka-Jagd

Titel: Matrjoschka-Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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der Brief von Klara Ehrsam?«
    Nore Brand hörte die Tür hinter sich knarren. Knappe, harte Schritte und dann stand sie bei ihm.
    »Da. Ich habe ihn doch extra hingelegt. Direkt vor deine Nase«, murrte sie und schob ihm den Brief entgegen. »Du musst wirklich unbedingt wieder zum Optiker. Ich kann nicht immer für dich herumrennen.«
    »Quatsch!«, rief er, »ich habe einfach zu viel Papier auf dem Tisch. Du könntest ja wieder einmal aufräumen.«
    Mit einem knurrenden Laut zog sie die Türe wieder hinter sich zu.
    »Lassen Sie sich von ihr nicht beeindrucken. Im Grunde ist sie herzensgut. Sie kann es nur nicht zeigen.«
    Anwalt Merian öffnete den Brief mit aufreibender Umständlichkeit, hielt ihn dicht vor seine Augen und begann zu lesen. »Oho. Jetzt erinnere ich mich wieder. Das korrigierte Testament. Und dann dieser erstaunliche Begleitbrief.«
    Er faltete den Brief auseinander, hielt ihn ganz nahe vor seine Augen und las ihn aufmerksam durch. Als er fertig war, legte er den Brief hin und zwar so, dass Nore Brand nichts davon sehen konnte.
    Er hielt seine Eidechsenaugen eine Weile geschlossen; es sah aus, als ob er unvermittelt eingenickt wäre.
    »Seltsam, seltsam, diese Wandlung«, murmelte er plötzlich, »aber doch sehr erfreulich, sehr erfreulich.« Er lehnte sich wieder zurück. »Ich werde Ihnen entgegenkommen, wo es möglich ist, aber Sie verstehen, dass mein Amt mir Grenzen setzt.«
    »Selbstverständlich«, erklärte Nore Brand, sie musste ihre Ungeduld mit Macht zügeln. 
    »Also, was müssen Sie wissen?«
    »Ich vermute, dass Frau Ehrsam ihr Testament geändert hat.«
    Ein schlaues Lächeln glitt über das Gesicht von Anwalt Merian. »Richtig. Vermuten Sie weiter.«
    Nore Brand atmete langsam aus. Das Klassenzimmerspiel, aber sie hatte keine Wahl. »Ich vermute, dass sie Jelena Petrovic begünstigt hat.«
    »Mit einem kleineren Betrag für ihre Verhältnisse, aber immerhin, immerhin …« Anwalt Merian fuhr mit seiner Zungenspitze über die dünnen Lippen. »Der Grund ist eine geplante Arztpraxis in Zagreb, das scheinen Sie ja auch bereits zu wissen.« Ihn amüsierte die Sache ganz offensichtlich. Er lächelte ihr aufmunternd zu. Wie ein Lehrer seiner hoffnungsvollen Schülerin. »Erstaunlich, erstaunlich. Sogar in Bern kann man scharf nachdenken«, lächelte er und wiegte heiter seinen blassen Kopf. »Weiter. Weiter. Wie ist das dicke Ende der Angelegenheit?« Er ließ die Daumen kreisen.
    »Ich vermute, dass der Direktor des Hotels nicht mehr zu den Begünstigten gehört.«
    Sein Gesichtsausdruck veränderte sich auf einen Schlag. »Hä«, entfuhr es ihm mit einem hämischen Lachen, »dieser Gauner mit seinen ewigen Weibergeschichten. Dieser Kerl hatte ihr einmal den Kopf verdreht und zwar bedauernswert gründlich. Ich habe nie verstanden, warum er so viel erhalten sollte. Wissen Sie, wie viel dieser Schmierfink hätte erben können?«
    Nore Brand rang einen Augenblick um ihre Fassung. Auch das traf zu.
    »Sieben Millionen«, flüsterte er heiser und beugte sich über den Tisch. »Der Kerl hätte sieben Millionen erhalten. Nun hat er nichts mehr. Gar nichts mehr. Und wissen Sie warum?« Er wedelte mit dem Brief vor ihrem Gesicht herum. »Das wird Sie wohl interessieren.«
    Sie schüttelte langsam den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
    »Meine Freundin Klara Ehrsam hatte den Eindruck, dass er unehrliche Spielchen spielte. Immer auf seinen Vorteil bedacht. Immer. Er wusste, dass er erben würde, aber er wollte nicht mit der Sprache herausrücken, als sie wissen wollte, was er mit dem vielen Geld machen würde. Er kümmerte sich überhaupt nicht mehr um sie, wie er das einmal getan hatte. Hat dafür mit einer Ballerina herumgeschäkert und dafür musste er bestraft werden. ›Wer nur auf Geld aus ist, soll auch das nicht erhalten.‹ Das sind ihre Worte. Genau so hat sie es geschrieben.«
    Er lehnte sich zurück. »Hähäää, jetzt kann er schauen, wo er die Milliönchen zusammenkratzt für seinen feinen Laden. Nicht jedem Löwen gebührt ein Salon.« Er kicherte über seinen Witz. »Zum Glück hat sie noch vor ihrem Tod gemerkt, mit was für einem Pfiffikus sie es zu tun hatte.« Er schaute sie forschend an. »Sie wollen sicher wissen, wer das Geld erhält, nicht wahr? Sie müssen ja herausfinden, wer an ihrem Tod interessiert sein könnte, nicht wahr?«
    Er triumphierte. »Was vermuten Sie?«, fragte er barsch.
    Doch Nore Brand wusste genug. Sie schob den Stuhl zurück und erhob sich.
    Das Gesicht

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