Matterhorn
Rangabzeichen fehl am Platze wirkten; wahrscheinlich gehörten sie USAID , der Behörde für Entwicklungsarbeit, an, oder der CIA , oder es waren Journalisten, die Angst davor hatten, in den Busch zu gehen.
Von der Taskforce Oscar aus gesehen stromaufwärts befand sich ein Kontingent südvietnamesischer Truppen, die augenscheinlich ebenfalls nichts taten. Die Marines beobachteten sie mit unverhohlener Feindseligkeit, denn sie hassten sie, weil sie herumsaßen, während andere ihre Schlachten schlugen und dabei den Tod fanden, hassten sie, weil ihre bloße Existenz der Lüge Vorschub leistete, die überhaupt erst amerikanische Truppen nach Vietnam gebracht hatte. Zu hassen, woran die Lüge sichtbar wurde, war einfacher, als die Lügner zu hassen, bei denen es sich schließlich um ihre eigenen Landsleute handelte: die dicken amerikanischen Zivilisten und Etappenhengste, die mit Aktentaschen, verschwitzten Gesichtern und glänzenden, unbenutzten Pistolen hin und her hasteten. Aber die Marines hassten auch sie. Manche Marines hassten die Nordvietnamesische Armee, und manche hassten sie nicht, aber die NVA genoss zumindest ihren Respekt.
Vertieft in die Arbeit, die Zelte auf Vordermann zu bringen und Schützengräben auszuheben, konnten die Marines der Kompanie für kurze Zeit vergessen, dass sie darauf warteten, ins Gefecht geworfen zu werden. Doch jedes Mal, wenn ein Jeep etwas schneller als üblich um die Biegung der Straße kam oder ein Hubschrauber über ihre Köpfe hinwegdonnerte, kehrten Angst und Beklemmung wieder.
Mellas nutzte die Gelegenheit, die sich ihm in seiner neuen Position bot, und fragte Fitch, ob er ihn zur nächsten Lagebesprechung des Bataillons begleiten dürfe. Fitch war einverstanden. Am nächsten Morgen betraten die beiden das große Zelt, das außerdem als Kapelle diente, und setzten sich auf Klappstühle. Hawke setzte sich zu ihnen. Er hatte sich seinen Schnurrbart abrasiert, und Mellas zuckte bei dem Anblick beinahe zusammen. Es war ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass Hawke vor den Korinthenkackern in der Etappe kuschte. Hawke trug außerdem glänzende neue Stiefel. Mellas zeigte darauf und pfiff anerkennend. Hawke zeigte ihm den Stinkefinger.
Blakely betrat das Zelt und befahl »Achtung«. Der Colonel folgte flotten Schritts und bedeutete Blakely mit einem Nicken, die Besprechung zu beginnen. Alle setzten sich. Mellas warf Hawke einen Seitenblick zu, der seinen Widerwillen gegen das förmliche Gehabe bekunden sollte. Hawke beschloss, ihn zu übersehen.
Blakely stand mit dem Rücken zu dem primitiven Holzaltar und gab die Aufstellung der einzelnen Kompanien bekannt. Dann begannen die Stabsunteroffiziere, ihre Berichte vorzulesen. Einige von ihnen lasen sie ab wie halbe Analphabeten, andere dagegen sprachen höchst kompetent und professionell und machten Vorschläge, die, wie Mellas erkannte, für das Funktionieren der Bataillonsetappe entscheidend waren. Father Riordan, der Navy-Kaplan, stand auf und nannte die Gottesdienstzeiten für die verschiedenen Konfessionen, sichtlich bemüht, sich wie einer von den Jungs zu geben.
Dann stand Sergeant Major Knapp, den fülligen Körper in einen gestärkten Tarnanzug gezwängt, auf und begann mit seinem Beitrag zur Besprechung. »Meine Herren Offiziere und Stabsunteroffiziere«, sagte er. »Jetzt, da das gesamte Bataillon einrückt, ist der Bataillonskommandeur der Ansicht – und ich stimme ihm da zu –, dass wir besonders sorgfältig auf unser Erscheinungsbild achten müssen. Ich erwarte von den Stabsunteroffizieren, dass sie dafür sorgen, dass jeder Mann in seinem Äußeren genau den Dienstvorschriften entspricht. Besonders ist uns die Verbreitung von Perlen, Symbolen, Henkersschlingen und Schnurrbärten aufgefallen.« Knapps Blick war direkt auf Fitch und Mellas gerichtet. »Schnurrbärte stehen nur Unteroffizieren ab E-5 zu. Sie müssen sauber gestutzt sein und dürfen nicht über den äußeren Rand der Oberlippe hinausgehen. Wir haben erwiesenermaßen weniger E- 5 -Unteroffiziere als Schnurrbärte« – er schmunzelte gutmütig – »also wollen wir mit dieser Art von Quatsch aufräumen. Ich werde direkt mit allen Stabsunteroffizieren der jeweils einrückenden Kompanien reden.« Knapp lächelte, wandte sich Blakely zu und lächelte erneut. »Das ist alles, was ich heute habe, Sir.«
»Danke, Sergeant Major«, sagte Blakely. Er wandte sich an Simpson. »Sie haben das Wort, Sir.«
Simpson nickte und trat hinter die Kanzel, um
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