Matterhorn
womöglich Pollini getötet hatte. Es musste das Gook- MG gewesen sein. Er wollte den Zweifel hinter sich lassen, ihn verschwinden lassen wie die Kugel in Pollinis Gehirn, aber er wusste, das konnte er nicht. Wenn er lebend hier rauskäme, würde er den Zweifel für immer mit sich herumtragen.
Kapitel 14
D er Sieg in der Schlacht ist wie Sex mit einer Prostituierten. Im körperlichen Rausch vergisst man einen Moment lang alles, doch dann muss man die Frau bezahlen, die einem die Tür zeigt. Man sieht den Schmutz an den Wänden und sein eigenes, jämmerliches Bild im Spiegel.
Dichter Nebel machte den Vormittag zur Dämmerung. Er verbarg die Marines auf dem Helicopter Hill vor dem Scharfschützenfeuer aus den Bunkern, die die Bravo-Kompanie auf dem Matterhorn gebaut hatte. Doch der Nebel hinderte auch die Hubschrauber daran, die Verwundeten zu evakuieren. Die Marines schleppten ihre toten Freunde zu einer flachen Grube nahe der Bergkuppe. Mellas und Fitch saßen im dunklen Inneren des Bunkers, den Goodwin und Mellas genommen hatten. Der Nebel hing silbergrau im Eingangsloch.
Fitch fing in kleinen, leisen Schluchzern zu weinen an, die Tränen liefen ihm über die schmutzigen Wangen und tropften auf die Karte, die zwischen ihm und Mellas lag. Relsnik war damit beschäftigt, über Funk Medevak-Nummern zu übermitteln und damit die Toten und Verwundeten zu identifizieren. »Zulu fünf neun neun eins. Over.«
Eine gelangweilte Stimme antwortete. »Verstanden, Zulu fünf neun neun eins. Over.«
»Bestätige. Bravo neun eins vier neun. Over.«
»Hey, ist das auch ein Coors? Over.«
»Roger. Das sind alles Coors. Haben Sie den letzten verstanden? Over.«
»Roger, verstanden Bravo neun eins vier neun. Geben Sie mir den nächsten. Over.«
Und das tat Relsnik, der die Nummern eine nach der anderen durchgab. Die Nummer würde schon bald einen ernsten Mann, den der Job, den er zu erledigen hatte, anwiderte, an die Tür irgendeiner Frau führen, und er würde ihr mitteilen, dass ihr Mann oder ihr Sohn in einem Gummisack nach Hause kommen würde. Der Leichnam würde in den frühen Morgenstunden eintreffen, damit der Betrieb am Flughafen nicht gestört wurde.
Während er Relsniks Stimme zuhörte – Pollini, Papa sieben eins vier acht; Jancowitz, Juliet sechs vier sechs neun –, zog sich Mellas in sich selbst zurück. Wie konnte es möglich sein? Er analysierte sein eigenes Vorgehen von dem Moment an, als er Pollini mit dem M 16 geholfen hatte. Er hatte ihn gewarnt. Aber Pollini war bergauf gegangen. Er hatte ihn »Ich bin getroffen« schreien hören. Konnte das ein Mann mit einer Kopfwunde? Aber wo war Pollini sonst noch verwundet? Was machte das überhaupt für einen Unterschied? Aber Pollini hatte mit dem Kopf hangabwärts gelegen. Wie war es überhaupt dazu gekommen? Die Kugel eines M 16 hätte ihm doch bestimmt den Schädel platzen lassen, oder? Aber was richtete eine 7 . 62 -Millimeter-Kugel der NVA an?
Mit einem Teil seines Verstandes konzentrierte Mellas sich weiter auf das Physische. War es seine Kugel gewesen oder nicht? Das war eine Ja-oder-Nein-Frage, und er musste sich für eine Antwort entscheiden. Nicht mit einem Ja oder Nein beantworten ließ sich die Frage, warum er überhaupt mit Pollini dort gewesen war. Er hätte bei der Befehlsstandsgruppe bleiben können. Aber er hatte helfen wollen. Er hatte außerdem wissen wollen, wie diese Erfahrung war. Er hatte sie unglaublich erregend gefunden. Er hatte Ruhm ernten wollen. Er hätte Pollini dort liegen lassen können. Vielleicht wäre Pollini dann noch am Leben. Aber er hatte helfen wollen. Er hatte einen Orden haben wollen. Er war derjenige, der weich geworden war und Pollini vom Messedienst abgezogen hatte. Wenn er nicht nachgegeben hätte, wäre Pollini in der VCB und am Leben. Aber Pollini hatte bei der Kompanie sein und seinen Beitrag leisten wollen. Mellas hätte auch Fredrickson oder sonst wen hinter Pollini herkriechen lassen oder bis nach dem Gefecht warten können. Aber er hatte seinen Beitrag leisten wollen. Außerdem hatte er einen Orden haben wollen.
Er versuchte, sich Goodwin in derselben Lage vorzustellen. Bei ihm hätte es überhaupt keinen Konflikt gegeben. Scar hätte helfen und einen Orden haben wollen. Helfen und ein Orden, das waren beides positive Dinge. Dass Pollini tot war, machte das Verlangen nach einem Orden nicht zu etwas Falschem, oder? Scheiße, was war falsch daran, einen Orden zu wollen? Warum hielt er das für schlecht? Warum
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