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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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haben, aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass es Schwachsinn ist, bei diesem Wetter zu fliegen. Over.«
    »Aber es ist kein Schwachsinn, bei so einem Wetter eine Kompanie Marines loszuschicken?«, platzte Mellas heraus.
    Fitch wartete, bis Mellas fertig war, ehe er den Sprechknopf drückte. »Ich verstehe. Sonst noch was? Over.«
    »Wir bereiten so rasch wie möglich einen Ergänzungsbefehl für Sie vor. Big John Three out.«
    Auf der Bergkuppe bewegten sich schemenhafte Gestalten langsam auf den Graben zu, in dem aufgereiht die Toten lagen, deren wettergebleichte Stiefel unter dunklen, vom Nebel nass und glitschig gewordenen Ponchos hervorschauten. Dort wartete Cortell auf sie. Sein Kopf war bandagiert. Als er das Gefühl hatte, dass alle da waren, die kommen wollten, zückte er eine kleine Taschenbibel und las laut einige Verse vor. Jackson formte mit den Lippen stumm die Worte: »Janc, warum hast du das gemacht?« Fracasso stand voller Unbehagen hinter Cortell. Auf der Naval Academy hatte nie jemand darüber gesprochen, was man hinterher machte.
    Fracasso hatte Jackson aufgefordert, die Gruppe zu übernehmen. Jackson weigerte sich. Verwirrt besprach Fracasso die Sache mit Bass, der ihm den wahrscheinlichen Grund nannte. Also hatte Fracasso Jackson mit Hamilton tauschen lassen und diesem die Gruppe gegeben. Jackson schnallte sich das schwere Funkgerät über seine Schutzweste. Er hatte eine Entscheidung getroffen; an die würde er sich halten.
    Das den ganzen Tag anhaltende Dämmerlicht verblasste. Die Medevak-Vögel kamen nicht. Jungs, die mit einer Nachversorgung gerechnet und ihr Wasser getrunken hatten, bedauerten nun, dass sie nicht sparsamer gewesen waren. Unten im Bunker, wo man die schweren Fälle hingebracht hatte, sah Sheller hilflos zu, wie die zur Neige gehende Infusionsflüssigkeit in die Verwundeten hineinlief. Als die anderen Sanitäter den Bunker verließen, um sich für die Nacht einzugraben, zog er bei zwei Bewusstlosen die Infusionsschläuche heraus und goss die Flüssigkeit in die über den anderen hängenden Flaschen.
    Merritt, ein Schütze aus Goodwins Zug, beobachtete ihn. Er war einer von drei Verwundeten, die noch bei Bewusstsein waren. »Was machst du da, Doc?«, flüsterte er. Seine zerrissenen Kleider klebten von trocknendem Blut an seinem Körper. Alles war voller Schmutz, und es gab keine Möglichkeit, ihn abzuwaschen. Die Squids kippten einfach ein Antiseptikum dazu. Eine Kerze flackerte, bewegt von der feuchten Luft, als Sheller sich hinsetzte. »Hab bloß einen kleinen Ölwechsel bei dir gemacht«, sagte er lächelnd.
    »Du hast es Meaker weggenommen.«
    Sheller nickte.
    Merritt starrte nach oben zu den leicht fauligen Rundhölzern, die etwa einen Meter zwanzig über seinem Kopf das Dach des Bunkers bildeten. Er roch Blut, außerdem – von den Nordvietnamesen zurückgelassen – vergorene Fischsauce und Reis. »Ist es falsch, dass man unbedingt nach Hause will?«, fragte er.
    Sanft lächelnd schüttelte Sheller den Kopf. Merritt holte mühsam Atem. Der Schmerz in seinen Eingeweiden, wo er von zwei Kugeln getroffen worden war – eine hatte seinen Hüftknochen zerschmettert –, beförderte ihn beinahe in selige Bewusstlosigkeit. Aber er wehrte sich dagegen, ins Reich der Dunkelheit einzutreten, denn er hatte Angst, er würde nicht mehr zurückkommen wollen.
    »Heißt das, Meaker wird sterben?«
    Sheller schaute zu den beiden Jungs hinüber, die er zum Tod verurteilt hatte. Er wollte Merritts Frage nicht beantworten. Er wollte lügen, sogar sich selbst gegenüber. »Ich glaube, ihr werdet es alle schaffen«, sagte er.
    »Scheiße, lüg mich nicht an, Squid. Dafür hab ich keine Zeit.« Wieder holte Merritt zittrig Atem und unterdrückte den Schrei, der jedes Mal hervorbrechen wollte, wenn er sich die Lungen füllte. »Wenn ich wegen Meaker überlebe, will ich es wissen. Und ich will überleben.«
    Sheller legte die Hand auf Merritts Kampfanzug. »Die Sache ist die, wir verschwenden vielleicht Plasma an Meaker. Er hat innere Blutungen, und die kann ich nicht stillen. Du blutest nicht so schnell wie er.«
    Merritt sah Sheller an. »Das werd ich nie vergessen, Squid. Das verspreche ich.« Dann drehte er den Kopf zu dem bewusstlosen Körper von Meaker. »Meaker, du elender Blödmann«, flüsterte er. »Das werd ich nie vergessen.«
    Meaker starb drei Stunden später. Sheller und Fredrickson schleppten ihn aus dem Bunker und legten ihn zu den anderen Leichen auf der nebligen

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