Matterhorn
Mörserbeschuss hörte auf.
Wieder setzten Langeweile, Erschöpfung und Durst ein.
Goodwin war unruhig und bewegte sich zu einer Stelle unterhalb der Reihe von Schützenlöchern, die dem Matterhorn gegenüberlagen. Gelegentlich konnte er durch den Nebel hindurch die Bunker sehen, die der Erste Zug am Morgen zuvor angegriffen hatte. Er setzte sich mit seinem Gewehr auf den Boden und stellte das Visier neu ein. Dann lehnte er die Waffe gegen einen Baumstamm und machte sich daran, zu beobachten und zu warten.
Eine Stunde verging. Goodwin besaß die Geduld des geborenen Jägers. Er lebte in Nicht-Zeit, die er immer nur kurz verließ, um sein Gewicht zu verlagern.
Der Nebel wurde dichter und entzog das Matterhorn seinem Blick. Zwanzig Minuten verstrichen. Der Nebel lichtete sich wieder. Man sah eine Gestalt zwischen zwei Bunkern dahinstapfen. Goodwin gab einen Schuss ab. Die Kugel ließ unterhalb der Gestalt Erde aufspritzen. Der Mann verfiel in Laufschritt. Goodwin hielt drüber, um der Entfernung Rechnung zu tragen und gab rasch drei weitere Schüsse ab. Der dritte traf den Mann im Bein, und er ging zu Boden. Erregung pulsierte in Goodwins Kehle. Rasch stellte er sein Visier auf Entfernung und Wind ein und gab zwei weitere Schüsse ab. Er konnte nicht sagen, wo sie trafen. Das war ein gutes Zeichen, denn wenn sie Fleisch trafen, ließen sie keine Erde aufspritzen. Vom Matterhorn her eröffneten Kleinwaffen das Feuer. Goodwin hörte die Kugeln durch die Luft um ihn herum peitschen, bevor er die Abschussgeräusche hörte. Die Kugeln schlugen in den Hang oberhalb von ihm ein und scheuchten die Marines in ihre Löcher; sie witzelten und fluchten über Goodwin, der unterhalb von ihnen versteckt war und erneut sein Visier verstellte.
Zwei Gestalten stürzten aus einem Bunker und zerrten den Getroffenen weg. Wütend gab Goodwin einen Feuerstoß ab, doch der Rückstoß verriss das M 16 nach oben. Er sah ein Leuchtspurgeschoss einen flachen orangefarbenen Bogen beschreiben, der oberhalb der drei NVA -Soldaten rasch vom Berg aufgesogen zu werden schien. »Scheiße. Wir brauchen einen M 14 , Jack.«
Das Feuer verstummte. Goodwin kehrte zu den Stellungen zurück und begann, jede vierte Patrone in seinen Magazinen gegen ein Leuchtspurgeschoss auszutauschen. Dann schlichen er und ein paar andere zu einer anderen Stelle knapp unterhalb der Schützenlöcher und bezogen dort Position. Da die Leuchtspurgeschosse etwas leichter waren, würden sie nicht genau dort treffen, wo die Kugeln trafen, aber er konnte schätzen, wo ungefähr die Kugeln einschlagen würden, und wusste, dass er so bessere Möglichkeiten hatte, den Haltepunkt zu korrigieren hinsichtlich Entfernung und Wind. Er wusste außerdem, dass die Leuchtspurgeschosse seine Position verraten würden.
Mellas ging zu ihm hinunter, um zu sehen, was sich tat. Über sein Gewehr gebeugt, verharrte Goodwin so geduldig und still wie eine Katze, die vor einem Mauseloch wartet. Fünfzehn Minuten verstrichen. Mellas langweilte sich und ging zurück auf seine Seite des Bergs.
Zwei Stunden vergingen. Wieder senkte sich der Nebel herab, sodass man gefahrlos herumgehen oder übererdig sitzen konnte. Die Männer unterhielten sich, gruben und formten in ihren Schützenlöchern aufwändige Borde und Stufen. Mehrere gingen zu Gambaccini und Jacobs hinunter und halfen ihnen, Gräber für die toten NVA -Soldaten auszuheben, nur um sich zu beschäftigen. Viele dösten, dankbar dafür, dass sie nichts anderes zu tun hatten, als in ihren Löchern zu warten. Alle schauten alle paar Minuten zum Himmel – Anhänger eines Cargokults, die auf eine Lieferung warten.
Weitere zweieinhalb Stunden verstrichen. Mellas robbte zu Goodwin zurück, um zu sehen, ob es etwas Neues gab. Goodwin wartete immer noch, über sein Gewehr gebeugt. Mellas legte sich neben ihn. Goodwin redete, ohne das Auge vom Visier zu nehmen. »Der kleine Scheißer streckt gleich den Kopf aus dem Loch da. Das hab ich im Urin.«
Mellas hockte da und betrachtete den Berg, der immer wieder aus der grauen Suppe auftauchte und verschwand. Zehn Minuten vergingen. Er dachte an den Mann drüben in dem Bunker. Den Bunker hatte Jacobs gebaut. Er war tief ausgehoben, sodass die Augenhöhe knapp oberhalb der Erde lag, und bestand aus Baumstämmen, zwischen denen Erde, Landebahnmatten und Sandsäcke verteilt waren – außer bei einem direkten Treffer von oben würde auch eine 500 -Pfund-Bombe einem darin Sitzenden nichts anhaben. Infanterie
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