Matterhorn
machen«, sagte Kendall. Er holte tief Atem und kroch aus dem Loch. Genoa sah es mit Schrecken, dann robbte er hinterher, wie es seine Pflicht war.
Noch immer wurde die Nacht von sporadischen Schusswechseln und gelegentlichen Explosionen zerrissen. Nun, da die NVA -Soldaten ihre Rucksackladungen losgeworden waren, versuchten sie sich wieder abzusetzen.
»Campion«, flüsterte Kendall auf der Suche nach dem Führer seiner Zweiten Gruppe.
Niemand antwortete.
»Campion, ich bin’s, der Lieutenant«, rief Kendall leise.
Nach längerem Schweigen kam ein angespanntes Flüstern. »Hier.«
Kendall richtete sich in geduckte Haltung auf und hielt auf das Geräusch zu. Genoa folgte ihm.
Die beiden NVA -Pioniere, die auf dem Boden lagen, kannten das englische Wort »Lieutenant« und eröffneten das Feuer aus ihren AK 47 , sobald sie die Bewegung hörten. Da sie ihr Ziel nicht sehen konnten, verteilten sie ihre Kugeln in einem Bogen etwa einen Meter über Bodenhöhe. Zwei Kugeln trafen Kendall und Genoa in die Brust. Vor Schmerz keuchend, stürzten sie zu Boden, jeder mit einem kollabierenden Lungenflügel, der sich mit Blut füllte, doch keiner von beiden war tot.
Campion hatte das Mündungsfeuer der beiden NVA -Soldaten gesehen und gab einen Feuerstoß darauf ab. Sein Partner tat das Gleiche, und jeder warf eine Handgranate. Dann warteten sie angespannt. Sie hörten nichts bis auf den Lieutenant und seinen Funker, die nach Luft schnappten.
»Sanitäter!«, schrie Campion. Er und sein Freund robbten los, um die beiden zu suchen.
Die Feuergefechte kamen zum Erliegen. Die Rufe nach den Sanitätern verstummten. Die Männer warteten auf das Morgenlicht, lauschten angestrengt, um das entscheidende Knacken eines Zweiges oder Rascheln von Gras zu hören, das ihnen das Leben retten würde. Die Nordvietnamesen, die innerhalb des Verteidigungsrings geblieben waren, versuchten tief kriechend, langsam, die Gewehre mit einer Hand haltend, der Sonne zuvorzukommen und dabei möglichst kein Geräusch zu machen. Spannung und Angst verbanden die verschiedenen Männer auf dem Berg miteinander wie Draht.
Ab und zu versuchte ein Nordvietnamese auszubrechen. Dann hörte man das Knallen eines AK 47 , gefolgt von der Detonation einer Handgranate oder eines M 16 .
Die Nacht schritt voran. Die Marines breiteten ihre Ponchos neben ihren Schützenlöchern aus, um Niederschlag aufzufangen. Unterhalb der Stellungen begann ein verwundeter NVA -Soldat zu stöhnen.
Nach kurzem Geflüster, um sich zu vergewissern, dass es kein Marine war, warfen Jacobs und Jermain je eine Granate nach dem Geräusch. »Das w-wird dem A-Arschloch das Maul stopfen«, sagte Jacobs. Er behielt recht.
Mellas, der nach dem langen Marsch auf Sky Cap noch immer unter Durchfall litt, verspürte ein akutes Wühlen in seinen Eingeweiden. Er versuchte, es zu beherrschen, wollte nicht in seinem Schützenloch scheißen, hatte aber auch Angst, es zu verlassen. »Ich muss scheißen«, flüsterte er Jacobs schließlich zu.
»Scheißen? Wir haben seit zwei Tagen nichts gegessen, Lieutenant. Aber Scheiße labern können Sie ja auch immer.«
Mellas versuchte mit aller Kraft, die Hinterbacken zusammenzukneifen. »Ich kann’s nicht halten«, sagte er.
Jackson gab keine Antwort. Sein Gewehr in den Händen, hievte sich Mellas vorsichtig über den Rand seines Schützenlochs. Im Entengang entfernte er sich knapp einen Meter davon, ließ die Hose herunter, starrte in die Dunkelheit, lauschte durch den Wind. Sein Gesicht zeigte hangaufwärts. Der Kot lief wie flüssiger Brei aus ihm heraus, bekleckerte die Rückseite seiner Hosenbeine. Er machte sich klar, dass das ständige Scheißen – auch von Brei – bedeutete, dass er schneller Flüssigkeit verlor als diejenigen, die keinen Durchfall hatten.
Dann hörte er ein Scharren. Er hockte da, während ihm die breiige Scheiße über die Oberschenkel lief, schreckensstarr, ohne sich zu rühren oder ein Geräusch zu machen.
Mattes Licht begann den Nebel allmählich zu durchdringen. Einen Meter rechts von sich konnte Mellas den dunkleren Umriss des Schützenlochs ausmachen, das er sich mit Jackson teilte. Wieder war ein leises Scharren zu hören. Mellas konnte gerade noch einen tief kriechenden nordvietnamesischen Soldaten erkennen. Er war verwundet; seine blutverschmierte Kleidung klebte ihm an der Brust. Mellas sah, dass die Hand des Soldaten, die das Gewehr hielt, gerade an dessen Hüfte lag und sich in diesem Moment langsam vorwärts
Weitere Kostenlose Bücher