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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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Fahnenstange. Das ist das Höchste, was sie erreichen können. Und Leute wie du fliegen drüberweg und scheißen drauf. Gottverdammte großkotzige Arschlöcher.«
    »Ich wollte niemanden schlechtmachen«, murmelte Mellas.
    »Mach einfach die Guten wie Murphy und Cassidy nicht schlecht. Du studierst irgendwann Jura. Was zum Geier macht wohl Cassidy? Hier gilt er was. Und du scheißt darauf.«
    Mellas begann nun selbst wütend zu werden. »Was erwartest du denn, soll er mir vielleicht leidtun? Wahrscheinlich sollen mir auch der Colonel und der Three leidtun.«
    »Hör zu. Der Colonel ist ein Arschloch. Der Three ist ein Arschloch. Prima. Ganz deiner Meinung. Ich sage doch nur Folgendes, Mellas: Fragst du dich eigentlich jemals, warum sie Arschlöcher sind? Glaubst du, sie genießen es, sich jede Minute ihres kümmerlichen Lebens Sorgen zu machen, dass jemand sie anscheißt, weil eine ihrer Kompanien es nicht rechtzeitig bis zu einem Kontrollpunkt geschafft hat? Ich sag ja gar nicht, du sollst vergessen, dass sie Arschlöcher sind. Ich sag nur, wenn du Leute beschimpfst, dann zeig ein bisschen Mitgefühl. Nenn sie, wie du willst, aber wer sie sind und wer du bist, hat genauso viel mit Glück und Zufall zu tun wie irgendwas sonst.«
    Mellas und Hawke sahen beide die Erde vor sich an, außerstande, einander in die Augen zu schauen.
    »Ich vergesse wohl manchmal, wo ich hingehöre«, sagte Mellas schließlich und bedachte Hawke mit dem Anflug eines Lächelns.
    Auch Hawke lächelte. »Scheiße. Da halt ich so ’ne schöne Predigt, und du tust so, als wär’s ’n Witz, Mellas.« Er schob die Hände unter seine Schutzweste und sah ihn an. »Mellas, du hast alles, was ich auch gern hätte. Es macht mich einfach neidisch, dass du offenbar einen Scheiß darauf gibst.«
    » Ich hab alles, was du gern hättest?« Mellas brach in ein Gelächter aus, das ein halber Schmerzensschrei war. »Hawke, ich habe nichts. Einen Scheißdreck hab ich.«
    »Du hast Grips, du weißt, wo du hinwillst und wie du da hinkommst. Das nennst du nichts?«
    »Eben machst du mich noch zur Sau, weil ich so ein unsensibler Arsch bin, und jetzt erzählst du mir, ich hab Talent und du bist neidisch.«
    »Scheiße, ich hab nicht gesagt, du bist vollkommen.«
    Durch ihr Gelächter hindurch hörten sie von fern die Abschussgeräusche von Mörsern. Sie kauerten sich nieder und warteten. Mellas zählte die Sekunden, um festzustellen, ob die Flugzeit die gleiche war wie beim letzten Mal. Sie hatte sich geändert. Die Granaten schlugen oben bei der Landezone ein und riefen nur eine leichte Erschütterung hervor.
    »Hawke«, sagte Mellas leise, »du weißt, dass wir morgen vielleicht schon tot sind.«
    »Quatsch«, sagte Hawke. »Heute Abend.« Dann lächelte er. »Du stirbst nicht, Mellas. Du hast noch einen langen Weg vor dir.«
    An diesem Abend wurde die Belagerung aufgehoben. Das ging jedoch nicht mit donnernden Hufschlägen, blitzenden Schwertern und Hornsignalen einher. Die Luft erreichte schlicht und einfach eine bestimmte Temperatur, sodass Dunst und Nebel verschwanden. Das Matterhorn stand vor ihnen, grünlich-schwarz im schwindenden Licht. Die Männer erhoben sich aus ihren Schützenlöchern und jubelten. Feuer aus Handwaffen und Mörsern der NVA scheuchte sie gleich wieder zurück, aber alles hatte sich geändert. Die Hubschrauber konnten fliegen.
    Und das taten sie auch. Sie kamen durch das Feuer der automatischen Waffen und die detonierenden Mörsergranaten hindurchgeflogen. Ersatzleute mit aschfahlen Gesichtern rannten, wankend unter zusätzlichen Lasten von Munition, Infusionsflüssigkeit, Wasser und Proviant, auf die nächstgelegenen Schützenlöcher zu. Sanitäter und Freunde von Verwundeten liefen in die entgegengesetzte Richtung, stürmten geduckt in die vibrierenden Rümpfe hinein und wieder heraus, stapelten lebendige Körper darin und suchten Deckung vor dem einen NVA -Maschinengewehr, das seine Position auf dem nordöstlichen Ausläufer preisgegeben hatte und die Landezone systematisch mit Kugeln beharkte. Dann gaben die Piloten Gas, und die Hubschrauber hoben ab, kurvten außer Sicht und nahmen die glücklichen Verwundeten mit sich, darunter einen triumphierenden, grinsenden Kendall.
    Kurz vor Einbruch der Dunkelheit traf ein einzelner Zug der Delta-Kompanie ein und bezog zwischen Mellas’ Zug und dem von Goodwin Position. Während eigene Artillerie an jenem Abend das Matterhorn unter Beschuss nahm und Daniels Deckungsfeuer anforderte, das

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