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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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holen sie heute Nachmittag raus.« Er hielt inne. »Ihr habt einiges durchgemacht, was?«
    »Ja«, bestätigte Mellas. »Aber gleichzeitig nichts Ungewöhnliches. ›Leichte Verluste‹ heißt das, glaube ich, im Rest der Welt. Man muss es nur als Bataillonsgefecht melden, und der Prozentsatz der Gefallenen reduziert sich auf null. Wer wird das Matterhorn halten?«
    »Was interessiert dich das denn noch? Du wirst an Bord der Sanctuary Rollschuh laufen und Krankenschwestern mit runden Augen bezirzen. Vielleicht können wir mal wieder eine Mystery-Tour organisieren, wenn diese Scheißoperation vorbei ist.«
    »Wer hält das Matterhorn, Scheiße noch mal?«, fragte Mellas und stützte sich auf die Ellbogen, während sein gesundes Auge zu zucken begann.
    McCarthy zuckte die Schultern. »Niemand«, sagte er.
    Mellas ließ sich wieder zu Boden sinken und schaute zum Himmel auf. Niemand. Schließlich sagte er etwas. »Sei vorsichtig, Mac.«
    »Mach dir um mich keine Sorgen«, sagte McCarthy.
    Mellas sah ihn an. Sie wussten beide, dass McCarthy an diesem Nachmittag ins Gefecht ging, am selben Tag, an dem Mellas das alles hinter sich ließ. Es war ein weiterer Zyklus, ein weiterer konvulsivischer Rhythmus, und wenn es nicht Mellas traf, traf es McCarthy, und wenn nicht McCarthy, dann jemanden wie McCarthy, für immer und ewig, wie ein in gegenüberhängenden Spiegeln in einem Friseurladen zurückgeworfenes Bild, das immer tiefer geht, immer kleiner wird, sich mit Zeit und Entfernung im Unbekannten verliert, dabei aber immerzu wiederholt, immer gleich bleibt. Wenn er einen dieser Spiegel zerschlagen könnte, dachte Mellas, dann hätte die Qual ein Ende, und er könnte in Frieden träumen. Aber die Spiegel waren nur Gedanken, Illusionen. Die Wirklichkeit war McCarthy, der vor ihm stand, ein freundliches Gesicht, während sein Funker endlich loswollte, weil sie sich ranhalten mussten, um den Rest des Zugs einzuholen.
    »Viel Glück«, sagte Mellas.
    McCarthy winkte und trottete seinem Funker hinterher. Er drehte sich um und winkte erneut. Mellas dachte nur immerzu: Lass dich bloß nicht abknallen, verdammt noch mal, lass dich bloß nicht abknallen.

Kapitel 20
    D er Medevak-Hubschrauber flog ostwärts. Er schoss über einen weißen Strand dahin und dann hinaus auf das Südchinesische Meer. Irgendwann erschien unten ein weißes Schiff mit großen roten Kreuzen auf Rumpf und Aufbauten. Der Hubschrauber neigte sich, während seine Rotorblätter die Luft peitschten, leicht nach hinten und setzte auf dem Deck auf. Sanitäter rannten hin und holten auf Tragen die Verwundeten heraus. Eine Krankenschwester in Uniform mit einem Klemmbrett in der Hand warf einen Blick auf Medevak-Marken und Wunden. Sie sortierte die Verwundeten rasch in Gruppen. Die am schwersten Verwundeten wurden zur Seite geschoben, während man den leichter Verwundeten die Waffen abnahm, Stiefel und Kleider auszog und sie eilends ins Schiffsinnere beförderte.
    Die Schwester griff nach Mellas’ Medevak-Marke, ohne ihn anzusehen. »Mir geht’s gut«, sagte er. »Den Jungs da drüben geht es sehr viel schlechter als mir.«
    »Die Triage führe ich hier durch, Marine.« Sie betrachtete seinen Verband. Sie hatte ein derbes rotes Gesicht, kleine Augen, denen man den Schlafmangel ansah, und kräftige Augenbrauen. Ihre Haare trug sie in zwei kurzen, steifen Zöpfen. »Die mit der höchsten Überlebenswahrscheinlichkeit kommen als Erste dran«, sagte sie. Mellas wurde klar, dass die Absicht darin bestand, die Anzahl der Leute zu maximieren, die ins Gefecht zurückkehren konnten.
    »Was ist das da?«, fragte sie und deutete auf Vancouvers Schwert.
    »Das gehört einem Freund von mir.«
    »Sämtliche Waffen, Marine«, sagte sie und bedeutete ihm, ihr das Schwert zu geben.
    »Ich bin Lieutenant.«
    »Oh, Entschuldigung«, kam die sarkastische Antwort. »Hören Sie, Lieutenant, ich habe zu tun. Sämtliche Waffen – auch dämliche Souvenirs.«
    »Scheiße, das ist kein Souvenir.«
    »Was haben Sie gesagt, Marine? Sie wissen, dass Sie mit einem Lieutenant der United States Navy reden, oder?« Dieser Rang entsprach einem Captain der Marines.
    »Jawohl, Ma’am.« Mellas bedachte sie mit einem nachlässigen, nicht vorschriftsmäßigen Gruß, bei dem sich seine Hand schlaff krümmte. »Woher weiß ich, dass ich es wiederkriege?«, fragte er, die Hand immer noch an der Stirn, während er darauf wartete, dass sie den Gruß erwiderte.
    Die Schwester funkelte ihn an. Dann blaffte sie

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