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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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ihres Kleides wahr. Er sehnte sich danach, sich ihr zu nähern und sie anzufassen, etwas Weiches zu berühren, jemanden, der sauber und frisch roch, Wärme verströmte. Er wollte mit jemandem reden, der wusste, wie er sich fühlte, der etwas mit der verlorenen, einsamen Seite von ihm anfangen konnte. Er wollte eine Frau.
    Die Schwester wies zwei Sanitäter an, Mellas auf einen Operationstisch zu legen. Sie wollte ihm nicht in die Augen schauen. Mellas bedauerte, hierher geschickt worden zu sein, wo die plötzliche Flut von Sehnsucht keinerlei Möglichkeit der Erfüllung fand. Sie glaubt, alles was ich will, ist, ihn ihr reinzustecken, dachte er bitter. Das stimmt natürlich, aber es gibt noch so viel mehr. Er lachte laut.
    »Was ist denn so witzig?«, fragte einer der Sanitäter, der einen riesigen Apparat bewegte, der an einer Deckenschiene aufgehängt war. Er positionierte ihn sorgfältig über Mellas’ Gesicht.
    »Zwischen Emotion und Reaktion, zwischen Verlangen und Spasmus, fällt der Schatten«, sagte Mellas. Er bemühte sich um ein Lächeln.
    Die rothaarige Schwester drehte sich zu ihm um und betrachtete ihn genauer.
    Sie hielten ihn an den Schultern fest, und ein älterer Arzt kam herein. Er schaute in Mellas’ Auge und injizierte daneben ein Lokalanästhetikum. Die Schwester spülte das Auge und säuberte es von dem Pulver und dem übrigen Schmutz, der sich dort mit Fredricksons Salbe vermischt hatte. Ein Splitter hatte Mellas’ Augenlid aufgerissen. Ein anderer war knapp oberhalb des Nasenrückens eingedrungen und im Schädelknochen stecken geblieben. Die Angst vor dem, was ihm bevorstand, ließ Mellas verkrampfen. Er blickte zu dem großen schwarzen Apparat an der Deckenschiene auf. Der Apparat hatte große, dicke Glaslinsen und eine fünfzehn Zentimeter lange Stahlnadel, die zu einer sehr feinen Spitze zulief. Die Maschine begann durch die Linsen zu leuchten, und diese vergrößerten die auf ihn herunterglotzenden Augen des Arztes. Dann schoben sich die Linsen vor das strahlende Licht, und das Licht schien Mellas’ Gehirn zu durchdringen. Aus dem Lichtschleier kam die Stahlnadel, und der Arzt drehte an Einstellrädern, die die Nadel bewegten. Die Hände der rothaarigen Schwester drückten auf Mellas’ Stirn und Brust. Die Nadel drang in Mellas’ Auge ein. Er hielt sich am OP -Tisch fest und versuchte, nicht zu schreien.
    Einer nach dem anderen wurden ihm die Splitter und Metallspäne der defekten Handgranate aus dem Auge entfernt. Dann nähte der Chirurg das Augenlid mit zwei Stichen.
    »Sie haben unverschämtes Glück gehabt, Lieutenant«, sagte der Arzt. Er streifte sich bereits die Maske ab. »Zwei von den Splittern haben den Sehnerv nur um Haaresbreite verfehlt. Sie hätten Ihr Auge verloren.« Er schob den Apparat zurück. »Es wird noch ungefähr eine Woche dauern, bis Sie wieder normal sehen. Tragen Sie noch eine Zeit lang eine Augenklappe, aber Sie werden in ungefähr einer Woche zu Ihrer Einheit zurückkehren können.« Er drehte sich um und begann sich die Hände zu waschen. Mellas fühlte sich, als hätte man ihm gerade den Termin seiner Hinrichtung genannt.
    Er wurde zurückgefahren und schlief ein.
    Als Mellas aufwachte, stieg er aus dem Bett mit den gestärkten Laken und humpelte hinaus auf den Gang. Von den Schiffsmaschinen vibrierte der kalte Stahl unter seinen Füßen. Er sprach einen vorbeikommenden Sanitäter an und fragte, wo die Mannschaften waren. Er bekam den Weg gezeigt und hinkte los. Er fand Jackson auf einer Station zusammen mit ungefähr einem Dutzend anderer verwundeter Marines, alle an Infusionsflaschen angeschlossen. Jackson war wach und starrte, am Kopfende hochgelagert, mit einer Decke über den Beinen die Wand an. Am unteren Ende war die Decke flach.
    Plötzlich wollte Mellas nicht mehr, dass Jackson ihn sah. Am liebsten wäre er gegangen und hätte Jackson aus seinem Gedächtnis gelöscht.
    Ein Sanitäter trat auf Mellas zu. »Kann ich Ihnen helfen, äh …«
    »Lieutenant«, ergänzte Mellas für ihn. »Ich möchte einen meiner Leute besuchen.«
    »Sir, Besucher sind nur zwischen vierzehn- und sechzehnhundert zugelassen. Die Männer hier sind noch immer in ziemlich kritischem Zustand.«
    Mellas sah den Sanitäter an. »Doc, er war mein Funker.«
    »Wenn eine von den Scheißschwestern reinkommt, halte ich nicht den Kopf für Sie hin«, sagte der Mann und trat zur Seite.
    Mellas näherte sich dem Bett. Jackson drehte leicht den Kopf und sah gleich wieder weg.
    »Hi,

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