Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
Vom Netzwerk:
den Bunker.
    Blakely sagte, er könne Hawke wegen eigenmächtigen Verlassens seines Postens vors Kriegsgericht stellen lassen. »Aber Sie wissen vermutlich auch, dass ich das nicht tun werde«, fügte er, an Hawke gewandt, hinzu. »Warum sind Sie nicht einfach zu mir gekommen und haben was gesagt?«
    Hawke blieb stumm.
    »Haben Sie noch irgendetwas zu Ihrer Rechtfertigung vorzubringen, bevor ich Sie wegtreten lasse?«
    »Zu meiner Rechtfertigung? Nein, Sir.«
    »Na gut. Der Colonel möchte Sie sprechen. Er ist drüben beim Befehlsstand der Delta-Kompanie. Ich will allein mit Lieutenant Fitch reden.«
    »Aye, aye, Sir.« Hawke ging, um mit Simpson zu reden.
    Als er gegangen war, sagte Blakely zu Fitch, dass Simpson ihn, Fitch, vom Bataillon wegversetzen werde. Nur aus Freundlichkeit und in Anerkennung seines jüngsten Angriffs enthebe Simpson ihn nicht aus triftigen Gründen seines Kommandos. Er könne sich als versetzt betrachten, sobald sie zur VCB zurückkämen. Bis zu Mellas’ Rückkehr übernehme Goodwin das Kommando, und Mellas bekomme die Kompanie, bis man einen Berufsoffizier bekomme.
    Drüben beim Befehlsstand der Delta-Kompanie sagte Simpson, er werde Hawke für einen Bronze Star vorschlagen.
    Als Hawke sich neben Fitchs altem Bunker wieder Fitch und Pallack anschloss, hörte er mehrfach »Mörserbeschuss!« rufen. Überall stürzten sich Männer in Schützenlöcher. Die Mörsergranaten kamen herangerauscht. Marines kauerten in ihren Löchern, hielten ihre Helme fest, beteten, versuchten, nicht zu denken, zu hören oder zu fühlen. Hawke duckte sich neben den Bunkereingang und starrte hinaus auf seine alte Kompanie.
    Fitch und Goodwin gingen nebeneinander und führten die Kompanie schweigend den Berg hinunter. Die Marines der Bravo-Kompanie folgten, ebenfalls schweigend, scheinbar ohne einen Gedanken an die Mörsergranaten zu verschwenden, ihre Gewehre über den Schultern hängend. In ihrer Erschöpfung ließen die herabfallenden Granaten sie so gleichgültig, als handelte es sich um Regen.
    Einige Marines der Delta-Kompanie steckten die Köpfe aus ihren Löchern und beobachten ihre Kameraden, genau wie Hawke. Manche schüttelten den Kopf und murmelten: »Verrückte Hunde.« Manche stießen einen leisen Pfiff aus. Die meisten blieben stumm.
    Tiefe Bewegung schnürte Hawke die Kehle zu. Plötzlich verstand er, warum die Opfer der Konzentrationslager so ruhig in die Gaskammern gegangen waren. Im Angesicht des Grauens und des Wahnsinns war es das einzig Menschliche, was sie tun konnte. Es war keine große Geste, keine heldenhafte Tat – es war einfach nur menschlich. Weiterzuleben und dem Wahnsinn zu erliegen, war der äußerste Verlust von Stolz.
    Am nächsten Nachmittag wurde die Kompanie nach der Rückverlegung des Bataillonsstabes zur VCB zurückbefördert. Es war Sonntag. Father Riordan, der Bataillonskaplan, fand, es wäre tröstlich, einen Gedenkgottesdienst abzuhalten. Der Colonel und der Three stimmten bereitwillig zu, obwohl am Morgen bereits die regulären Gottesdienste stattgefunden hatten.
    Goodwin musste die Männer unter Druck setzen, damit sie hingingen. Der Nachschub gab neue Tarnanzüge aus. Die Kompanie marschierte zu den aus Säcken konstruierten Duschen am Fluss. Als sie den Schmutz, das verkrustete Blut und den Eiter abgewaschen hatten, verunreinigte dummerweise frischer Eiter aus ihren Dschungelfäulegeschwüren die neuen Uniformen. Trotzdem war es ein Vergnügen, die Geschwüre ausdrücken und zusehen zu können, wie der Eiter gelblich-weiß herausrann und von dem sauberen, steif gestärkten Baumwollstoff des neuen Tarnanzugs aufgesogen wurde. Es gab Gemecker, doch dank des sauberen Wassers, der frischen Kleidung und einer warmen Mahlzeit beschränkte es sich auf ein Minimum.
    Um 1550 gingen Fitch und Goodwin zu dem morastigen Bereich hinüber, in dem die Truppen ihre Unterstände errichteten. »Okay. Ihr habt zehn Minuten, um zur Kapelle rüberzugehen«, sagte Fitch. »Wir sehen euch dann dort. Nach dem Gottesdienst habt ihr bis morgen um null achthundert frei.« Er blickte in die Runde. Seine Kompanie war jämmerlich klein. Dann senkte er mit hängenden Schultern den Blick, außerstande, etwas zu sagen.
    »Hört mal, Jungs«, fügte er schließlich hinzu. Er versuchte zu lächeln. Es kamen keine Worte. Seine Nase begann zu laufen. Die Muskeln in seiner Kehle schmerzten. Dann griff er nach seiner Mütze und nahm sie ab. »Hört mal …«, krächzte er schwächlich.
    Die Leute standen

Weitere Kostenlose Bücher