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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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Amerikanerinnen es mit übergewichtigen Typen von zivilen Entwicklungshilfeorganisationen wie USAID und CORDS trieben. Dann dachte er an sich selbst und dass er unterwegs war zu den dunklen, dschungelbedeckten Bergen. Noch zehn Monate, sinnierte er. Noch fünf Pfad-der-Tränen-Operationen. Noch fünf Matterhorn-Erstürmungen. Inzwischen wusste Mellas, dass das Matterhorn und auch die »Operation Pfad der Tränen« nichts Besonderes waren. Beide waren einfach der ganz gewöhnliche Krieg.
    Zehn Minuten später hatte der Hubschrauber die Berge erreicht, und das Dschungelmeer wälzte sich in immer größeren Wogen über die ersten Ausläufer. Mellas zückte seine Karte – das war mittlerweile eine zwanghafte Angewohnheit – und bestimmte seine Position, während unter ihm ein markanter Gipfel auftauchte, um den sich in enger S-Kurve ein Fluss wand. Dann türmten sich, nun höher und zerklüfteter, schon die nächsten Berge unter ihnen.
    Mellas löste Vancouvers Schwert von seinem Marschgepäck und kroch zu einer offenen Luke, wobei er sich am Bordschützen vorbeidrückte, der ihm zusah, während er zugleich den Blick müßig über das Gelände unten schweifen ließ. Als Mellas die Luke erreichte, drohte der Luftstrom ihm die Klappe vom Auge zu reißen. Er schob sie sich zurecht, kniete sich dann hin und beugte sich, das Schwert vor sich haltend, in die rauschende Luft. Er betrachtete es etwa eine halbe Minute lang in stummer Erinnerung. Dann warf er es ins Zwielicht.
    Er sah zu, wie es hinter ihnen hinabfiel, sich drehte und einen Schimmer des verlöschenden Lichts einfing, bevor es mit dem alles umfassenden graugrün unten verschmolz. Dann entfaltete er seine Mappe und markierte die Stelle, wo er es abgeworfen hatte, sorgfältig mit einem Kreuz, neben das er in Druckbuchstaben » VS «, Vancouvers Schwert, schrieb.
    Der Bordschütze schüttelte den Kopf. »Ihr bei der Infanterie seid echt Spinner, Mann«, rief er ihm zu. »Verrückte Hunde.«
    Beim Anflug auf die VCB am frühen Abend verspürte Mellas die Nostalgie, die viele Menschen beim Nachhausekommen verspüren, ganz gleich wie armselig die Umgebung ist. Unter ihm blinkten ungeachtet der Bedrohung durch NVA -Raketen ein paar Lichter hinter den Verdunkelungsvorhängen hervor.
    Als er aus dem Hubschrauber stieg, stand auf dem Landeplatz eine kleine Gruppe Offiziere vom Divisionsstab, die mit Aktentaschen in der Hand und 45 ern in glänzenden schwarzen Holstern darauf warteten, abgeholt zu werden. Stumm ging Mellas die dunkle Straße auf den Bataillonsbereich zu, vorbei an den Zelten, wo er auf den Bald-Eagle-Einsatz gewartet hatte. Eine Kompanie der Neunzehnten Marines war da; die Männer schnitzten, schrieben Briefe, reinigten Gewehre und spielten Karten, um Langeweile und Angst zu vertreiben. Die Luft war deutlich wärmer als bei seinem letzten Aufenthalt in der VCB .
    Er erreichte das Versorgungszelt der Bravo-Kompanie. Irgendjemand hatte den Versuch gemacht, die durchhängenden Planen zu straffen. Das Innere war aufgeräumt, die Seesäcke im hinteren Teil waren säuberlich auf Holzpaletten gestapelt, um sie vom Morast fernzuhalten. Der alte Schreibtisch war da, mit zwei brennenden Kerzen darauf. Im Zelt saßen drei Fremde.
    »Können wir Ihnen helfen, Marine?«, fragte einer davon in scharfem Ton. Er war angesäuselt und offenbar gerade aus dem Rest der Welt eingetroffen. Er hatte ein Messer im Stiefel stecken. Mellas hätte am liebsten gestöhnt.
    »Scheiße«, sagte er. »Ist das hier die Bravo-Kompanie oder was? Ich bin Lieutenant Mellas. Wo sind Hawke und Scar?«
    Die drei Fremden standen auf.
    Mellas streifte sein Marschgepäck ab, löste sein Gurtzeug und ließ alles mit einem dumpfen Schlag auf die Metallmatten unter seinen Füßen fallen.
    »Willkommen zurück, Sir«, sagte der Mann. »Wir haben viel von Ihnen gehört. Ich bin Staff Sergeant Irvine, das ist Staff Sergeant Bentham, und das ist Lieutenant LaValley, Sir.« Er zögerte einen Moment lang. »Wir haben gehört, Sie haben das Auge verloren.«
    »Das haben alle anderen auch«, sagte Mellas.
    Er gab jedem von ihnen die Hand, spielte die Rolle des wortkargen, verwundeten Helden. Er sah, dass der neue Lieutenant einen gewaltigen Respekt vor ihm hatte, was ihm selbst vor ein paar Monaten gegenüber einem Veteranen nicht anders gegangen wäre. Inzwischen bedeutete ihm ihre Reaktion nichts mehr, außer dass sie ihm verriet, dass die Geschichten vom Matterhorn wahrscheinlich grotesk aufgebauscht worden

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