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Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Fenster. Der Hof war still und schwarz. Vielleicht hatten die Bogenlampen letzte Nacht gebrannt zu Ehren der Sichlete… Jetzt kam nur von Zeit zu Zeit ein winziger Mond zwischen Wolken hervor, versteckte sich wieder, und sein Licht war in den kurzen Augenblicken seines Auftauchens so schwach, daß man lieber gar nicht davon sprach…
    Der Kirsch brannte im Magen, Studer hatte drei Gläser getrunken, jetzt war er hell wach. Aber er hatte sonderbarerweise gar keine Lust zum Rauchen. Er wollte nachdenken, klar denken. Doch immer ist es so, wenn man an die Scharfheit seines Denkens appellieren will, denkt man unklar, verschwommen und sehr, sehr unzusammenhängend…
    Die Situation hatte sich merklich verändert seit dem Morgen, das war nicht zu bezweifeln… Dr. Laduner hatte gut reden mit seinem Unfall… Ge-wiß, wie er sagte, ein Mord in der Anstalt bedeutet einen Skandal, besonders wenn man den Mord mit dem Demonstrationsobjekt Pieterlen in Zusammenhang bringen konnte… Schien nicht alles auf diesen Pieterlen hinzudeuten? Das graue Stück Stoff unter der Matratze, der Sandsack, der aus demselben Material gefertigt war… Der Ausbruch knapp vor dem Augenblick, in dem man den Hilfeschrei gehört hatte… Und dann das Motiv: Eifersucht! Ein starkes Motiv!
    Alte Kriminalistenregel, das »Cherchez la femme«, und nicht einmal Dr. Locard in Lyon hatte über diese Regel zu spotten gewagt, er, der doch in einem denkwürdigen Aufsatz die Fragwürdigkeit aller Zeugenverhöre scharfsinnig bewiesen hatte… Also Pieterlen… Nehmen wir einmal an, es sei Pieterlen gewesen… Er hatte mit dem Mord zwar nichts gewonnen, aber es tat vielleicht gut, sich an die Erziehungsanstalt in Oberhollabrunn zu erinnern, in der man die Bekanntschaft des Dr. Laduner gemacht hatte…
    Besonders sich zu erinnern an jene denkwürdige Szene, da ein Bub auf einen andern mit dem Messer losgegangen war und Dr. Laduner den interessierten Zuschauer gespielt hatte… Wie lautete die Regel des Herrn Eichhorn? Einen Protest muß man leer laufen lassen… Gut und schön, solange nicht ein Mord passierte… Dr. Laduner konnte da lang sinnvolle psychologische Gründe für einen Kindsmord anführen, so sinnvoll, daß einem ganz flau im Magen wurde, und daß man dachte, man befinde sich auf einer Alpenfahrt…
    Aber schließlich, der Mord an einem alten Manne, der vielleicht vertrauensvoll zu einem Rendezvous gekommen war, ließ die Sache doch in etwas anderem Lichte erscheinen. Was hatte übrigens Laduner mit seiner Vorlesung bezweckt? Ge-wiß, wie er sagen würde, er war in Feuer geraten, es war nicht alles Theater gewesen, der Pieterlen war ihm ans Herz gewachsen, man fühlte das, aber immerhin, man hält doch einem einfachen Wachtmeister von der Fahndungspolizei nicht einen dreistündigen Vortrag, wenn man nicht dabei seine kleinen Hintergedanken hat… Die Menschen sind einmal so – besonders so komplizierte wie der Dr. Laduner –, sie haben für Taten niemals nur ein einziges Motiv, solchen Blödsinn glaubt vielleicht ein junger Untersuchungsrichter oder ein Bezirksanwalt, wie jener, der in Pieterlens Geschichte vorkam, aber doch kein vernünftiger Mensch, wie beispielsweise ein alter Fahnder… – Gewiß, man konnte naiv aussehen, aber man war doch genug herumgekommen in der Welt, man hatte die Menschen kennengelernt. Das mit dem Unbewußten hatte vieles für sich, obwohl man es nie so hätte formulieren können… Übrigens: Die Attacke, ja, die Attacke: ob man nicht in Gedanken manchmal ein Kindsmörder gewesen sei… Glänzend! Gescheit! Dieser Dr. Laduner!…
    Erstellen! wie das Kommando lautete… Pieterlen der Mörder? Es sprach eigentlich nur eines dagegen: das Telephongespräch… Pieterlen hatte nicht um zehn Uhr abends telephonieren können, denn er war ja an der Sichlete… Und fest stand, daß aus der Anstalt telephoniert worden war… Der Abteiliger vom B… (wie hieß der Mann schon? Das nachmittägliche Memorieren hatte nicht viel genützt, man mußte doch wieder das Büchlein zu Rate ziehen) Jutzeler! also, der Jutzeler, der dem Direktor um halb eins abgepaßt hatte, der schied auch aus… Denn der hatte das Telephon abgenommen… Er konnte nicht zu gleicher Zeit am andern Ende gesprochen haben. Denn leidlich klar ging aus den Aussagen hervor, daß der Direktor die Mappe geholt hatte, um mit jemand zu sprechen… Sehr merkwürdig. Um halb zwei, in einem dunklen Gang oder vielmehr in einer dunklen Ecke… Die Mappe… Sie war

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