Mattuschkes Versuchung
sie die Arbeit in der Försterklause etwas reduziert, was zu einem sichtbaren Gewichtsverlust ihrer Haushaltkasse führte. Der Winter und ein paar warme Sachen standen an. Wenn er so werden würde wie der letzte, brauchte sie unbedingt noch feste warme Schuhe.
»Soweit ich mich noch an Rick erinnere, war er sehr unbeständig und mundfaul, aber du bist ja alt genug, zu beurteilen, ob ihr zueinander passt.«
»Das bin ich mit fast fünfundzwanzig Jahren in der Tat.«
Schon wieder der unterschwellige Vorwurf, dass er nicht zu ihr passe und sie es als Mutter besser beurteilen könne. Nur jetzt nicht die Contenance verlieren. Sie klärten noch ein paar Dinge ab, dann verabschiedeten sie sich mit einem Kuss voneinander.
»Danke, dass du gekommen bist«, rief sie ihr nach, bevor sie in das weiße Auto des Pflegedienstes stieg.
Sie bog gerade in die Hauptstraße ein, als Rick vor Louise bremste. Er saß in einer schwarzen Limousine, deren Marke sie nicht kannte und feixte herausfordernd.
»Das ist ja gerade noch einmal gut gegangen, oder war es nicht deine Mutter, die Kneifzange?«
»Natürlich, aber sie hätte dich schon nicht gefressen.«
Sie ärgerte sich über die Art, wie er von ihr sprach, das stand ihr zu, aber nicht ihm. Während der Fahrt machte sie ihm den Vorschlag, kurz ihren Vater zu besuchen, den sie schon wochenlang nicht mehr gesehen hatte. Beim Besuch ihrer Mutter fiel es ihr plötzlich siedend heiß ein.
Am Haus in der Schanzenstraße, wo er seit kurzem mit der neuen Partnerin lebte, war eine lange Reihe von Namensschildern angebracht, sie suchten eine Weile, bis sie den eigenwilligen Namen Schneemilch/Leblanc fanden. Wenn Vater sie heiraten würde, könnte sie sich in dieser Hinsicht jedenfalls verbessern, dachte sie schmunzelnd. »Ja, wer ist da?«, matt und unpersönlich vernahm sie die Stimme ihres Vaters. Ursprünglich hatte sie eine lustige Antwort geplant, aber angesichts der unfreundlichen Begrüßung meldete sie sich mit ihrem Namen.
»Ich wollte mal nach dir, äh, euch sehen, darf ich mit Rick raufkommen?« Es trat einige Augenblicke Schweigen ein, während die Anlage knackte und rauschte.
»Ja, dann kommt hoch.« Der Türöffner surrte, sie ließen den Aufzug stehen und nahmen die Treppe bis zum dritten Stock. Das Haus roch nach frischer Farbe und Terpentin, je höher sie stiegen, desto stärker wurde der Gestank. Ihr Vater stand in der halb geöffneten Tür und empfing sie mit lauwarmer Begrüßung. Er drückte Rick die Hand, sie war weich und kraftlos.
»Schön, euch zu sehen«, sagte er wenig überzeugend, er sah nicht gut aus, krank, abgespannt, belastet, und ließ sie eintreten. Solana Schneemilch begrüßte sie herzlich, als sie lächelte, lachten auch ihre Augen, sie meinte es ehrlich und freute sich über die spontane Initiative.
»Entschuldigt, dass wir hereinplatzen, aber ich habe euch so lange nicht mehr gesehen, und wir waren gerade in der Nähe.«
»Ich wäre euch sonst ernstlich böse gewesen, wo ihr schon in der Gegend wart.«
Solana war sehr freundlich und bediente sie, während ihr Vater einen abwesenden Eindruck machte und sich wenig für die Gespräche zu interessieren schien. Als er Rick fragte, wo er arbeite und das Unternehmen erfuhr, stellte er seine Mitwirkung an der Unterhaltung ganz ein. Wahrscheinlich ist ihm die ganze Situation mit der neuen Partnerin peinlich, vielleicht hätte ich zunächst lieber alleine kommen sollen ohne Rick, der ihm offensichtlich nicht behagte, dachte sie. Ihr wurde klar, dass sie auch in Zukunft von ihrem Vater wenig zu erwarten hatte. »Der Mann hat keinen Mumm und schwache Grundsätze«, sagte Mutter immer. In diesem Punkt musste sie ihr recht geben. Solana nahm sie mit in die Küche, legte freundschaftlich den Arm um ihre Hüften; sie war gerade dabei, ein paar Brote zuzubereiten, wobei sie ihr helfen sollte.
»Ich bin froh, dass du gekommen bist, man fühlt sich sonst so ausgegrenzt von der Familie.« Beim Abschied, den Solana aufrichtig bedauerte, nahm ihr Vater sie kurz in den Arm.
»Wir telefonieren miteinander und treffen uns mal, ich muss mit dir reden«, sagte er leise, bevor sie wieder in die Terpentinwolke traten und die Treppe hinunterstiegen. Rick verlor kein Wort über den Besuch.
Als er einige Tage später die Werkstatt betrat, lag ein Zettel da, sich mit Louise beim Chef zu melden. Abends holte sie ihn ab, es war wohl das letzte Mal, dass sie den langen Fußmarsch hierhin machte, der Sommer war vorbei und das
Weitere Kostenlose Bücher