Mattuschkes Versuchung
fühlen ließ. Auch als Mann gefiel er ihr durchaus, unabhängig von dem großen Altersunterschied. Es war ein jugendlicher, altersloser Typ, interessant, mit Charme, Witz und Wissen. Sie war nicht verliebt, und der Gedanke an ein erotisches Abenteuer mit ihm, hatte keinen Reiz. Neugierig, auf welche Art er mit einer Frau umgehen würde, war sie allerdings. Auf der einen Seite wollte sie keine Veränderung des harmonischen Verhältnisses. Wer weiß, wie sich ein näheres Kennenlernen darauf auswirken würde? Auf der anderen, würde Luftveränderung, ein paar Tage abschalten in anderer Umgebung, sie von ihren trüben Gedanken befreien. Und vielleicht spielte er ja auch nicht mit solchen Erwartungen. Sie begann, einen viel zu großen Koffer zu packen.
Louise hatte das Gefühl, in der anderen Umgebung mit vielen neuen Eindrücken richtig aufzuleben, das großartige Wetter tat ein Übriges dazu. Schon die Fahrt faszinierte sie. In Kandersteg nutzten sie den Autoverlad durch den Lötschbergtunnel nach Goppenstein. In Sierre, im südlichen Wallis, bat sie ihn, an einer Serpentinenstraße anzuhalten. Das Landschaftsbild war imposant. Steile Weinberge, die sich bis zu tausend Metern hinaufzogen, von akkuraten Terrassen gequert, im Hintergrund von schneebedeckten Bergen geschützt. Am Fuß glänzte das schmale Band der Rhone.
»Ist der Kontrast der leuchtenden Weinhänge und der weißen Berggipfel nicht einmalig? Selbst die Wärme, die die Hänge im Sonnenlicht ausstrahlen, bildet einen Gegensatz zu der Kühle der schneebedeckten Berge.« Sie schwärmte so von dem landschaftlichen Stillleben, der Symmetrie der Trockenmauern, Plateaus und Terrassen, von Menschenhand geschaffen, dass Mattuschke sie gerührt in die Arme nahm.
»Ach Louise, ich bin so froh, dass du mitgefahren bist und es dir gut gefällt.«
Sie gab ihm einen dankbaren Kuss.
»Danke Heinz, dass du mich eingeladen und überredet hast, ich fühle mich wie befreit hier. Die Reben müssen doch unglaublich widerstandsfähig sein, dass sie unter diesen Bedingungen wachsen?«
»Ja, das ist wirklich erstaunlich, ich bin schon darauf gespannt, wie widerstandsfähig wir sein werden, wenn wir ihre Weine probieren.«
Sie lachten beide und fuhren die enge Bergstraße mit ihren vielen Windungen hinauf. Die geschäftlichen Dinge waren erfreulich schnell geregelt, noch einige Telefonate, dann gehörte die Zeit ganz ihnen. Er hatte eine Pension organisiert, ein weiß getünchtes Haus, dessen massives Holzdach tief hinuntergezogen war, mit hübschen Zimmern und herrlichem Blick auf die Bergwelt mit den Giganten Matterhorn, Besso, Zinalrothorn und anderen in der Ferne. Tief sog sie die glasklare, kalte Luft in die Lungen. In tiefem Schnee wanderten sie zu einer Hütte, zogen sich gegenseitig aus den Schneegruben, wenn sie bis zu den Oberschenkeln im kalten Weiß versanken, stützten sich beim vorsichtigen Stelzen über eisgefrorene Passagen und ließen sich erhitzt, ein durstlöschendes Skiwasser auf der Hüttenterrasse servieren. »A votre santé«, sagte die freundliche Bedienung. Strahlende Sonne schmeichelte ihren Gesichtern, sie schlossen die Augen und genossen die angenehme Wärme. Ein paar Skifahrer nutzten das noch verbliebene Weiß für kühne Schwünge und Abfahrten. Die Ruhe war himmlisch. Sie besuchten das Höhendorf Chandolin auf fast 2000 Metern, fuhren in Grimenz mit der Seilbahn in die Höhe, blickten auf den smaragdgrünen Moiry-Stausee und begeisterten sich im Ort an uralten, schwarz gewordenen Holzhäusern aus derben Balken, die ihnen die Historie des Örtchens und die Schicksale seiner Bewohner förmlich zuflüsterten. Abends aßen sie in gemütlichen Stuben Spezialitäten aus dem Val d'Anniviers zu interessanten lokalen Weinen. Louise lernte Heinz von einer ganz anderen, entspannten, launigen Seite kennen, sie hatten Spaß miteinander.
»Es ist so schön hier, am liebsten möchte ich immer bleiben«, stöhnte sie, nachdem sie ein opulentes Abendessen und ein paar Gläser Rotwein genossen hatte.
»Könntest du dir das auch mit einem alten Mann wie mir vorstellen?«, fragte er spaßhaft.
»Das könnte ich vielleicht«, blinzelte sie übermütig, »weil ich mit dir wieder fröhlich sein kann und mich sehr umsorgt fühle.«
Er lächelte, sagte aber weiter nichts. Vor den Schlafzimmern wünschten sie sich eine gute Nacht mit Kuss, dann schlüpfte jeder hinein. Vorsorglich schloss Louise ihre Tür nicht ab. Der heutige Tag hatte sie seit langem wieder in
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