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Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ersfeld
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gerade sehen, ob etwas zu finden ist, ist dir was aufgefallen?«
    »Nichts«, brummte er, »es ist wie verhext, Sina hat an seiner Kleidung gerissen, da müssten doch Stofffetzen sein. Wie geht es ihr?«
    »Mit dem Schlafmittel konnte sie wenigstens schlafen, sie ist völlig fertig und kann heute nicht auftreten, überall blaue Flecken. Ihre Nummer beherrsche ich nicht, höchstens einen kleinen Teil, damned!«
    »Sag ihr liebe Grüße von mir; kann ich es meinen Eltern erzählen?«
    »Ja, sie freut sich sicher, wenn Lavinia kommt, aber sonst sollte es keiner wissen. Chapiteau wollen wir nicht beunruhigen. Heute Abend sollten wir uns in der Nähe auf die Lauer legen, falls er es noch einmal versuchen sollte.« Er legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Danke Heinz, dass du dich gleich so lieb um sie gekümmert hast.«
    »Wäre ich nur früher dort gewesen«, sagte er zornig und trat kräftig gegen einen der Büsche.
    Seine Eltern schliefen noch, als er zum Wagen kam. Er suchte etwas in seiner Kiste, fand es aber nicht, ärgerlich schlug er mit der Faust dagegen, sollte er es doch in einer anderen verstaut haben? Er wühlte weiter, räumte fast den ganzen Inhalt aus, dann entdeckte er es endlich, steckte es in seine Jackentasche und verließ den Wagen wieder. Zielstrebig ging er in die Richtung eines anderen, der abseits stand und legte sich ins feuchte Gras. Er musste eine Weile warten, bis sich die Tür öffnete und der Bewohner hinaustrat. Er wusste, wohin er gehen würde, wartete, bis die Gestalt nicht mehr zu sehen war, schlich sich heran und öffnete das Schloss mit einem Draht, den er zu diesem Zweck mitgenommen hatte. Rasch durchwühlte er die Kleider, die auf einem Stapel lagen und den Schrank. Da hing tatsächlich ein schwarzer Umhang, mit zitternden Händen untersuchte er ihn, Erde klebte daran, braune, sandige Flecken und ein Knopf fehlte, einer in der Art, wie er ihn gefunden hatte. Jetzt gab es Gewissheit, er wusste, was er zu tun hatte. Als er fertig war, spähte er vorsichtig aus der Tür, dann verschloss er sie wieder und huschte davon. Niemand hatte ihn gesehen, so früh war es, dass die meisten noch schliefen.
    Es war ein denkwürdiger Abend, den Zukolowskis Zirkus lange nicht mehr erlebt hatte. Mattuschke betrat den Käfig in der Manege. Lärmende Stille. Er fühlte sich übersensibilisiert, leiseste Geräusche empfand er unerträglich laut, der Geruch nach Zelt, Schweiß, Urin und stickigem Sägemehl stieg ihm so stark in die Nase, dass er ihm fast den Atem nahm. Bei der Löwennummer war er aufgeregt, sodass die Tiere seine Nervosität rochen und Dressurakte misslangen. Einmal griffen die Assistenten sogar mit der Gabel ein, als es brenzlig für ihn wurde. Mehrmals musste er mit der langen Peitsche die Aufmerksamkeit der Tiere einfordern und den Tupfer gebrauchen, damit sie nicht ihr Postament verließen. Mira ließ ihr Gebrüll erschallen und hieb mit der Pranke nach der Peitsche, die er ihr auf die Brust gesetzt hatte.
    »Pascha Sprung! Selim down«, wenigstens das gelang. Die Tiere spürten Anspannung und mangelnde Konzentration.
    »Bebeto, Simba, Leo hoch!« Nur einer folgte seinem Befehl. »Sultan, guter Löwe, roll!«, er stieß ihn leicht an. Er gehorchte zwar allen Kommandos, war aber durch das undisziplinierte Verhalten seiner Kollegen abgelenkt. Jetzt aber rollte er sich wie gewünscht am Boden, was den Kindern ein entzücktes Klatschen entlockte. »Braaaaav Sultan.«
    Er fühlte die Augen der Zirkusmannschaft auf sich gerichtet, ihr unerschütterliches Vertrauen ließ ihn fast zusammenbrechen; er musste diese Nummer anständig zu Ende bringen. Schweiß lief ihm in den Nacken, tropfte von der Stirn, die er mit dem weiten Ärmel seines Hemds abwischte, damit er nicht beißend in die Augen lief. Noch einmal alle Tatzen hoch, diesmal patzte nur einer, der sich überhaupt nicht für ihn zu interessieren schien. Es war ihm unangenehm, er fühlte sich in seiner Artistenehre gekränkt. So wollte er sich nicht vom Publikum verabschieden. Da entschied er sich zu einem tollkühnen Vorhaben. Sambesi war als einziger Löwe in normaler Verfassung. Wie beim üblichen Ende der Show ließ er die Löwen mit lautem Peitschenknall durch den Gittertunnel zurücklaufen, nur ihn behielt er da. Es war eine Situation, in der er Ricardo zugeraten hätte, seinen Kopf ins Löwenmaul zu stecken, aber er hatte es noch nie getan. Zukolowski, der heilfroh war, dass die Nummer mit den fauchenden und aufsässigen Löwen

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