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Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ersfeld
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sie zu Empfängen, Einladungen oder Besprechungen mit. Auch wenn sie früher abstritt, dass ihr Glamour oder Tanz auf gesellschaftlichem Parkett etwas bedeuten würde, musste sie sich eingestehen, dass es ihr heute gefiel, Konversation mit dem Oberbürgermeister, Bankdirektoren, Präsidenten der Universität, Kammern oder Unternehmern zu führen und den eifersüchtigen Blicken der Gesellschaftsdamen zu trotzen, die sie wohl für seine Mätresse hielten. Er fuhr mit ihr in Modehäuser und kaufte extravagante Kleidung, die sie noch vor einem Jahr bewundert, aber nie angezogen hätte. Schließlich muss ich doch mit meiner Assistentin repräsentieren können, war seine Antwort auf ihre Proteste, wieder beschenkt zu werden.
    Ein Besuch seiner, Truppen stand an, wie er die Mitarbeiter der außerhalb gelegenen Unternehmen nannte. Sie fuhren nach Stuttgart, wo er ihr den Musterbetrieb vor Ort zeigen wollte. Durch ihre Arbeit erhielt sie Einblick in seine wirtschaftlichen Verhältnisse, um die ihn die meisten beneidet hätten, und dabei war sein beachtliches Privatvermögen, das sie nur schätzen konnte, nicht berücksichtigt. Gerrit Wollhüsen empfing sie fast mit militärischen Ehren, die ganze Mannschaft war angetreten, er ließ sie und Mattuschke wie auf einem roten Teppich vorbei defilieren. Die Produktionshallen waren blitzsauber, das Unternehmen ertragreich und bestens in Schuss. Nach kurzer Ansprache an die Belegschaft, zogen sie sich für Strategiegespräche zurück. Anschließend ging es zu Fuß zum Restaurant, sie überquerten den lebhaften Markt mit bunten Auslagen und hektischer Betriebsamkeit. Während sie die vor Frische strotzenden Gemüse- und Obststände begutachtete, was das Hungergefühl dramatisch steigerte, musterte Mattuschke das um sie wogende Menschenknäuel. Verächtlich zog er die Mundwinkel herunter.
    »Alles Aldisten.«
    Sie musste lachen. »Alles wer?«
    Er grinste: »Aldisten, pensionierte Führungskräfte, die sich früher in die Brust warfen, wie von Leuchtenburg und heute, ihrer Bedeutung beraubt, zu Tütenträgern ihrer Frauen mutiert sind. Ein Bild des Jammers.«
    »Wieso Aldisten?«
    »Aldi-Assistenten, sie dürfen die Artikel vom Band nehmen, in Tüten verstauen und gemäß der allein verbliebenen Bestimmung, gebeugt hinter der Gnädigsten hertragen.«
    Wollhüsen hatte schmunzelnd zugehört. »Zu originell, den Begriff muss ich mir merken, ich kenne einige, denen es haargenau so ergangen ist, gestern noch viel zu sagen und heute sagt man ihnen was.«
    »Ihr seht die Sache spaßig«, warf Louise ein, »dabei ist es ein gesellschaftssoziales Problem. Wie werden Spitzenkräfte, die sich ein Leben lang voll für ihren Job engagiert haben, damit fertig, plötzlich ein Leben ohne Entscheidungskompetenz und Status führen zu müssen, beruflich nicht mehr gebraucht zu werden? Mit der Arbeit sind Grundfesten ihres Lebens weggebrochen. Das ungenutzte Wissen ist auch ein volkswirtschaftlicher Verlust. Wohl keiner sieht es als Krönung an, Aldist zu werden, eher als Tragödie.«
    Sie hatte sich in Rage geredet. Mattuschke gefiel sie in der kämpferischen Ausgabe, sie redete ihm nicht nach dem Mund und hatte recht mit ihrer Ansicht. Sein zynischer Witz auf Kosten dieser Personen kam ihm auf einmal dumm und schäbig vor. Für eine Weile fühlte er sich unbehaglich neben ihr.
    Als sie am späten Abend ihr Hotel betraten, gab es eine Überraschung, Wollhüsen hatte in der Annahme ihrer Partnerschaft ein Doppelzimmer reserviert, andere Zimmer waren wegen eines Kongresses nicht mehr verfügbar. Louise musste innerlich lächeln, als sie sah, wie aufgeregt Mattuschke diskutierte; offenbar sollte das Schicksal auf diese Weise ,Amor spielen, um die Schwellenangst zu beseitigen. Nach wie vor hatte eine gemeinsame Nacht gewissen Reiz für sie. Er entschuldigte sich mehrmals für das Missgeschick, eine andere Lösung bot sich nicht an. Sie ging als erste ins Bad, verließ es ganz bewusst in zarter Unterwäsche und bewegte sich zeitlupenartig auf ihr Nachthemd zu, indem sie ihn, scheinbar in die Zeitung vertieft, aus den Augenwinkeln beobachtete. Sein Blick ging eindeutig über den Rand des Blattes hinaus, wenn er dort etwas lesen wollte, wo er gebannt hinsah, hätte schon ein Teleprompter installiert sein müssen. Sie schmunzelte, gleichgültig war ihm ihre Silhouette jedenfalls nicht. Als er das Bad verließ, schloss sie die Augen und harrte gespannt seiner Annäherung. Sie war aufgeregt und spürte deutlich

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