Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
besinnungslos. Die Schachfiguren bewegen sich und wissen nicht, daß jemand sie lenkt. Der Spieler bewegt sie und weiß nicht, daß jemand ihn lenkt – nennen wir diesen Jemand Gott oder Fortuna. Gott weiß nicht, daß jemand ihn lenkt. Welcher Gott im Rücken Gottes hat die Partie begonnen? Ist von Borges, nicht von mir.«
    Sie passierten wieder den breitbeinig auf seinem Moped dahinschaukelnden Mann, diesmal ohne ihn zu gefährden.
    Jorinde stöhnte. »Erklär mir doch bitte die Zusammenhänge, Herr, zwischen Deutschland und toten Hunden und Osiris und dem Beginn der Schachpartie, ja?«
    »Realität ist jene Illusion, die durch Mangel an Alkohol entsteht. Ich hab einfach nicht genug getrunken.«
    »O Mann.«
    »Ehe mich der Hund vom Pfad der Untugend fortlockte, wollte ich noch etwas bemerken. Hängt alles zusammen, edle Kebse, dauert nur ein bißchen, bis ich dahin komme. Ah. Von den Großveranstaltungen der letzten Jahre hat mir der Golfkrieg erheblich besser gefallen als die Wiedervereinigung. War besser organisiert, bis auf das Ende, wo sie flüchtende Iraker in den Rücken geschossen haben, statt sie neu zu bewaffnen und auf Saddam anzusetzen. Wir machen ja bei so was nicht mit. Wir stimmen in der UNO dafür und gehen auf Tauchstation. Die Friedensbewegung demonstriert nie gegen Kriegsverbrecher, nur gegen den Versuch, Kriegsverbrecher zu bändigen. Sie hätten zweifellos auch dagegen demonstriert, daß Churchill die Offerten unseres friedliebenden Führers ausschlägt.«
    »Ahaua.«
    »Anständige Gesinnung ist, wenn man friedlichen Nachbarn, die von Räubern überfallen werden, nicht hilft, weil manselbst mal Räuber war. Der Hund wiederum brachte mich darauf, daß es ja sein könnte, daß hinter alledem doch eine ganz simple Logik steckt. Daß nicht nur wir Figuren in der Hand des Spielers Kappes sind, sondern daß auch Kappes & Co in der Hand anderer sind, die in der Hand anderer sind.«
    »O Mann. Kohl und Friedensbewegung. Tote Hunde und Schach. Gah.«
    »Ganz recht, gah. Hängt alles zusammen. Ebenso, wie ich außerstande bin, den Sinn, die Methode dieses Köterhenkens zu erfassen, begreife ich, was in diesem unserem Lannnde vorgeht. Bisher habe ich angenommen, es wäre einfach eben alles so, und es wäre eben alles so einfach. Nämlich blendender, überwältigender, malmender Blödsinn. Die Reihe toter Hunde und die Annahme, daß jemand sie aus okkulten, aber bei mehr Information durchaus nachvollziehbaren Gründen gehenkt und geschlitzt hat, bringt mich zu der – eh, Intuition, daß hinter den Spielern, die uns verrückt verrücken, weitere Spieler stehen könnten, die alles auf einer höheren Ebene manipulieren. Und wenn man deren Motive wüßte, verstünde man vielleicht, wieso alles Unsinn ist.«
    Jorinde öffnete den Mund, schloß ihn wieder, sagte dann abermals schwächlich: »Gah.«
    »Nun hat Genenger mir erzählt, dieser Poet, Osiris K, sei dabei, eine gewaltige, allumfassende Verschwörungstheorie zu entwickeln. Kann Blödsinn sein, Nebel, wie fast alles hierzulande, pubertäre Paranoia, kindischer Verfolgungswahn.«
    »Doppelmoppel du.«
    »Beinahe; nicht ganz. Vielleicht hat aber Osiris zufällig das, was für uns wirres Durcheinander ist, zu einem anständigen Puzzle zusammengesetzt.«
    Jorinde lachte. »Der Ahrtaldichter als einziger Besitzer des großen Durchblicks? Gah.«
    »Was willst du? Hat’s schon gegeben. Denk an Heinlein, der irgendwann um 1947 herum eine Story geschrieben hat, in der amerikanische Soldaten Ende der 60er in Vietnam verheizt werden. Denk an Dante, der so trefflich dargestellt hat, daß es in der Hölle von Päpsten wimmelt.«
    »Gah.«
    »Und vergiß nicht, die Geschütze, wenn es welche gibt, werden abgefeuert in Bonn – noch. Wie wir seit dem Ersten Weltkrieg wissen, hört man ab einem bestimmten Kaliber den Geschützlärm erst in einer größeren Entfernung, nicht unmittelbar neben der Kanone. Vielleicht steht das Haus von Osiris genau in der richtigen Entfernung von der Zentrale, so daß er hört, was anderen entgeht.«
    Sie hatten den Platz vor ihrem Behelfsdomizil erreicht. Am Schwengel der Pumpe hing ein aufgeschlitzter Foxterrier. Jorinde stieg aus, knallte die Tür zu und betrachtete das gehenkte Tier.
    »Wenigstens hat der Köterkiller alles außerhalb des Trogs gelassen. Das Wasser ist sauber«, sagte sie.
    »Vielleicht ist aber auch alles Unfug, der Hundeschlitzer hat keinerlei Motiv, und hinter unseren Bonzen steht niemand. Dann bewegt Osiris

Weitere Kostenlose Bücher