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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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seinen Griffel umsonst. Jedenfalls will ich mit ihm reden. Morgen, vielleicht. Mal sehen.«
    »Apropos Griffel, apropos bewegen. Komm ins Haus.«

8. Kapitel
    Faustschläge ließen die Tür dröhnen, gefolgt von Genengers Stimme, die etwas wie »he holla he« sagte.
    Matzbach rollte sich seufzend aus Jorindes Armen und watschelte nach vorn. »Gut abgepaßt«, knurrte er. »Wir wollten eben schlafen.«
    Genenger hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Hinter ihm wurde der Himmel hell; die ersten Vögel machten sich über den Tag her.
    »Ich hab gewartet, bis ihr mit dem Stöhnen fertig wart. Los, anziehen, mitkommen.«
    »Was ist passiert? Ist eine deiner Leichen aufgestanden und muß neu geknebelt werden?«
    Genenger gähnte. »Das könnte warten. Nee, ne neue Leiche. Eine, die dich interessieren sollte.«
    »Gah«, sagte Jorinde; sie zog die Decke über den Kopf.
    »Hörst du? Die Worte der Hexe finden meinen Beifall. Abermals gah. Was hab ich so früh am Morgen mit deinen Leichen zu schaffen?«
    Genenger bleckte die Zähne. »Zieh dich an. Bei diesem obszönen Anblick kann ich keine Erklärungen abgeben.«
    Baltasar blickte an sich hinab. »Obszön? Bäh. Wenn du so zart besaitet bist, wie überlebst du dann als Privatbestatter?«
    »Gut. Willst du nicht wissen, wen es zerbröselt hat?«
    Matzbach rieb sich die Augen. »Na schön. Wer hat den Löffel abgegeben, die Zehen nach oben gedreht und nimmt jetzt Raumtemperatur an?«
    »Gah«, sagte Jorinde unter der Decke.
    »Unser subversiver Heimatlyriker Osiris K.«
    »Gerechter Lohn für schlechte Verse. Und?«
    Genenger ächzte. »Nun zieh dich doch endlich an. Irgendwas ist da faul; unterwegs erzähl ich’s dir.«
    Matzbach knurrte leise, ging zum Bett zurück und griff zu seinen am Fußende liegenden Klamotten.
    »Und ich?« sagte Jorinde.
    Genenger runzelte die Stirn. »Du kommst mit. Ohne dich ist er doch vollkommen unerträglich. Außerdem könnten wir eine Hexe brauchen. Dämonenbeschwörung beim Leichenwaschen, oder so.«
    »Gah.« Jorinde streifte die Decke ab und stand auf. Genenger schmatzte.
    Ein paar Minuten später brachen sie auf. Der schwarze Leichenbenz nadelte sich durchs Morgengrauen; Heinrich lenkte mit einer Hand, kratzte sich mit der anderen ausgiebig – Kopf, Brust, Lenden, Brust, Kopf – und berichtete.
    »Also. Gegen Mitternacht hat jemand den Nachbarn aus dem Bett geklingelt; den von Osiris. Sagt, er müßte dringend den Poeten sprechen, aber der hebt nicht ab. Ob da was passiert ist. Der Nachbar schimpft, zieht sich an und geht los – längerer Weg, wie das auf dem Land mal so ist.«
    »Hat der Nachbar kein Auto?«
    »Der Nachbar, o Baltasar, ist Chinese.«
    »Das erklärt vieles, aber – na ja, in den Nebentälern der Ahr ist eben alles anders.«
    »Gah«, sagte Jorinde. »Und?«
    »Der Nachbar geht rüber, rumpelt ein bißchen an den Türen und Fenstern, keine Reaktion. Die Küchentür ist auf, also geht er rein und findet Osiris tot auf dem Bett. Oder jedenfalls sieht er tot aus und atmet nicht.«
    »Und dann? Notarzt?«
    »Gibt’s hier nicht. Das ist es ja. Er hat den diensttuenden Arzt angerufen, und das ist, wie jede Nacht von Mittwochauf Donnerstag, einer von dieser Privatklinik. Der war aber schon woanders unterwegs, deshalb dauert es. Yü …«
    »Wer? Ach so, der Chinese.«
    »Genau. Vorn heißt er übrigens Felix.«
    »Felix Yü? Apart. Und weiter?«
    »Yü bleibt brav bei seinem Nachbarn; wahrscheinlich hat er sich ein bißchen gegruselt. Dann kommt er auf den Gedanken, auf dem Schreibtisch nachzukucken, ob da was für derlei Fälle rumliegt.«
    »Für den Fall, daß er fällt und rumliegt?«
    »Gah«, sagte Jorinde. »Halt doch mal drei Takte die Fresse, Matzbach.«
    »Jedenfalls findet er so was wie nen Taschenkalender, mit Anschrift und Impfpaß und Blutspenderausweis und so, und da steht außerdem drin, ›im Falle eines Unglücks zu benachrichtigen Heinrich Genenger, Privatbestatter‹, Telefon und Adresse.«
    Genenger schwieg einen Moment, stellte das Kratzen ein und kurbelte mächtig; knapp oberhalb des Dorfs lenkte er den Wagen über eine Holzbrücke, dann auf einen Feldweg, der im Weinberg zu versickern drohte, überlebte, immer weiter anstieg und schließlich in ein kleines Seitental stürzte. Links, nahe der Ahruferstraße, stand ein einsamer Neubau.
    »Da wohnt Yü.«
    Weiter rechts, talauf, waren zwischen Eichen und Buchen ein halber Schornstein und Teile eines Dachs zu sehen.
    »Osiris.« Genenger deutete

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