Matzbachs Nabel
dich um. Aber nicht zu lange; wir sollten noch ein bißchen Kriegsrat halten.«
Matzbach nickte und machte kehrt. Die Steine der Kellertreppe waren ein wenig glitschig, aber nicht völlig feucht. Unten fand er das übliche Sammelsurium verschieden genutzter Räume: Heizkeller mit Brenner und, durch eine Zwischenmauer getrennt, Öltank; einen Bastel- oder Werkzeugraum; ein paar leere Räume, in denen antike Spinnweben Beschaulichkeit heuchelten; an einem Ende des Kellers eine Wand, die nachträglich zugemauert schien, hinter der nichts mehr vom Haus aus Zugängliches lag; am anderen eine Holztür, durch die man über eine Außentreppe ins Freie gelangen konnte. Und ziemlich in der Mitte zwei gewölbte Kellerräume mit mehreren tausend Flaschen, teils in Weinregalen aus Metall, teils in gemauerten Fächern.Matzbach grunzte, verteilte ringsum Kußhände, schaltete die Lichter aus und ging wieder nach oben.
Jorinde hantierte in der Küche; den Klängen nach schien sie zu spülen und gleichzeitig Wasser zu kochen, vermutlich für den nächsten Kaffee. Genenger stand am Eibensekretär, die Fäuste auf die Platte gestemmt, und starrte auf das oberste von zahlreichen Blättern.
»Well?« Matzbach grapschte nach einem Stuhl, drehte ihn um, setzte sich rittlings darauf und ließ die Arme über die Rücklehne baumeln.
»Nix well.« Genenger richtete sich auf und nahm einen gründlichen Schluck aus seiner Nase. »Alles großes Durcheinander. Also, die wichtigsten Sachen haben wir gefunden. Versicherung, Rente, Banken, Testament – ach so, das wußtest du ja schon. Aber dann gibt’s da noch jede Menge beschriebenes Papier.« Er klopfte auf den Stapel.
Matzbach schwieg, bis Jorinde mit drei Bechern Kaffee zu ihnen gestoßen war.
»Danke, o mein Herzbeutel.«
»Pah.« Sie setzte sich auf eine Art Klavierhocker und blies über ihren Becher. »Ihr seht so nach Kriegsrat aus.«
Genenger sackte in den Schreibtischstuhl und trank einen Mundvoll. »Heiß. – Kriegsrat, na ja; ich weiß bloß nicht, was von all dem Zeug wichtig ist.«
Matzbach starrte in seinen Kaffee. »Hört mal zu. Ich hab eben da oben furchtbar nachgedacht, mit betäubender Wucht gewissermaßen. Ich will euch einen Teil des Gedankengewebes aufriffeln; der andere Teil ist noch nicht fertig. Aber auch der fertige mißfällt mir.«
Jorinde lächelte sanft. »Heb an, o Mann.«
»Alsdann. Hmh. Also, Osiris fühlt sich verfolgt, richtig? Er behauptet, das hinge mit irgendwas zusammen, was ergefunden oder herausgefunden oder entdeckt hat. So weit?«
Genenger klackte die Zähne aneinander. »Er hat gesagt, er säße über Dynamit. Nicht
auf
, sondern
über
. Mehr hat er aber nicht sagen wollen.«
»Gut. Ein seltsamer Anruf in der Nacht jagt den Chinesen los, Mister Yü; wer hat da angerufen?«
»Einer der zahlreichen Besitzer von Telefonanschlüssen in Mitteleuropa«, sagte Jorinde.
»Schon recht, schon recht; seltsam ist doch bloß, daß einer, der um Mitternacht dringend einen anderen beteflonieren will und dazu einen dritten aus dem Bett jagt, weder Namen noch Nummer zum Rückrufen hinterläßt, oder?«
Genenger runzelte die Stirn. »Klingt komisch, aber wissen wir das? Yü hat nix davon gesagt. Müßte man noch mal fragen.«
»Machen wir. Weiter. Ich gestehe, daß mich diese Klinik nicht interessiert, Heinrich, und auch deine angeblich schrägen Leichen der letzten Jahre nicht, die immer dann anfallen, wenn einer der Klinikärzte Notdienst hat. Das ist mir alles zu weit an zu langen Haaren herbeigeholt. Ich glaube, du willst mich foppen – Beschäftigungstherapie, um Matzbach hinterher auslachen zu können, ja?«
Heinrich grinste nur.
»Wohlan denn. Außerdem – wer sich in so ein Schönheitsund Psycho-Kombinat begibt, ist selber schuld, wenn er geschlachtet wird. Wenn da was nicht stimmt, von mir aus; soll sich die Polizei drum kümmern. Mich juckt das nicht. Aber …«
»Ich dachte, dich interessieren schräge Fälle.«
»Falsch, Genenger; oder jedenfalls nur teilweise richtig. Mich interessieren schräge Fälle, wenn sie wen betreffen, an dem mir liegt. Oder wen, der mir nicht liegt, der mir aber große Summen ans Herz legt.«
Jorinde nickte langsam. »Aha. Das erklärt vieles.«
»Eben. Zurück zum Aber. Also, aber. Und zwar folgendes Aber. Angenommen, es wäre etwas dran an der Verfolgungsangst oder Verschwörungsthese von Osiris. Angenommen, sein Ableben hätte etwas damit zu tun. Angenommen drittens, der Klinikarzt hätte seine Pfötchen
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