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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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bitte, ohne verderbliches Gemüse oder derlei.‹ Der Kellner lächelt und notiert.« Matzbach betrachtete die Spiegeleier, die leise zischten, stellte die Kochplatte kleiner und arrangierte drei Emaillebecher nebeneinander. In jeden schüttete er zwei gehäufte Eßlöffel Maxwell, Zucker nach Bestellung, darauf eine Prise Zimt.
    »›Nach der Bouillon, als dritten Gang sozusagen, eine mittelgroße Portion Forellenbäckchen und Pfauenzungen,
à point
gesotten und mit dem jüngsten vorhandenen Bâtard Montrachet abgelöscht.‹ Der Kellner lächelt und notiert.«
    »Mir reichen zwei Scheiben Brot«, sagte Jorinde. »Das hier sieht aus wie ein wichtiger Umschlag. Falls ich überhaupt was runterkriege.«
    »Ich bitte drei.« Genenger hustete. »Was für ein Umschlag? Steht was drauf?«
    »Nee.«
    »Dann ist er unwichtig. Er hat ein Testament gemacht, das weiß ich, und in einen Umschlag gesteckt, auf dem ›Testament‹ steht.«
    »›Dazu eine achtundachtziger Scharzhofberger Auslese aus dem Hause von Hövel‹, sagt Monsieur. Blödsinn, auf ein Testament Testament zu schreiben. Wenn’s wenigstens Letzter Wille wäre!« Matzbach säbelte dicke Scheiben von einem Graubrotlaib und prüfte abermals die Milchtemperatur mit dem Finger. »Autsch. ›Rapunzelsalat, angemacht mit
crème fraîche
, Schalotten und Apfelstückchen, wobei Schalotte und Apfel gemeinsam durch eine Zwiebelpresse gezwängt werden sollten, und garniert mit ein paar Streifen Kudufleisch sowie scharf gebratenen Tukanlebern.‹ Der Kellner lächelt und notiert. ›Dazu ein Gläschen Moriles, bitte sehr.‹«
    »Der Kellner lächelt und notiert«, sagte Genenger. »Und gleich brauch ich einen, der abwechselnd die Beine hochhält, zum Nägelschneiden.«
    »Gah«, sagte Jorinde.
    »Die Milch kocht über; ich kann jetzt nicht.« Matzbach goß die brodelnde Milch in die Emaillebecher und rührte. »›Ferner, als fünften Gang, ein wenig Bärentatze, Känguruhlende und
faux filet
vom Löwen, bereitet nach dem Prinzip des
bœuf bourguignon
; als Gemüse bitte sehr Stielmus, dazu einen sechsundsiebziger Echézaux von Gerbet.‹ Der Kellner lächelt und notiert. Außerdem macht es sich immer besser, wenn eine Frau Beine hochhält.«
    »Wieso Stielmus?« sagte Genenger. »Warum nicht Kappes-Schlaat? Und wieso verzichtest du darauf, die Jungs dasFleisch
an
irgendwas servieren zu lassen? Überhaupt – Bärentatze? Soll es darin schon wibbeln?«
    »Matzbach ist ein Chauvi. Was ist Stielmus? Von dem anderen, Kappes wie bitte, nicht zu reden.«
    Matzbach stellte die Kochplatte aus; die Spiegeleier waren an den Rändern angenehm braun. Er strich Butter auf insgesamt acht Scheiben Brot; dann bedeckte er die Butter mit Sauerkirschmarmelade und öffnete vier Dosen mit weißem Thunfisch
(Bonito blanco en aceite)
.
    »Stielmus«, sagte er, »gewinnt man im Frühjahr, wenn die Rüben reifen. Rübstielchen auf Streichholzlänge geschnitten, in Salzwasser gekocht, dann in die gleiche Menge Kartoffeln gestampft und mit einer Büchse Schmalzfleisch versetzt. Eine der üppigeren Köstlichkeiten des Landes. Wodurch dem kundigen Zuhörer erhellend mitgeteilt ist, daß sich Monsieur im Frühjahr auf einer Atzungsreise befindet. Kappes-Schlaat dagegen macht man besser im Herbst oder Winter – Weißkohl, wenn’s beliebt; ebenfalls in Salzwasser gekocht nach vollzogenem Kleinschneiden oder Ribbeln, in die gleiche Menge Kartoffeln gestampft, begossen mit zerlassenem Speck und den restlichen, möglichst krossen Speckstückchen, dann liebevoll abgeschmeckt mit Essig und zerdrückten Zwiebeln. Reichlich Essig. Hat aber einen starken Eigengeschmack, sollte nicht zu Känguruh
à la bourguignonne
gereicht werden. Die Bärentatzen müssen noch nicht wibbeln, nein. Was macht,
à propos
, die Leiche? Übrigens boykottieren anständige Menschen Lokale, die etwas ›an‹ etwas servieren.«
    »Der
haut goût
läßt nach; noch kein Wibbeln, und das Zappeln hält sich in Grenzen.«
    »Gah«, sagte Jorinde. »Ich hab’s gefunden! Das Testament. Gut versteckt zwischen – ah, Kochrezepten in Versen. Widerlich.«
    »Zum Dessert bestellt Monsieur Tsampa – süßen tibetischen Hirsebrei – und dazu ein Schälchen Kumyß; das ist vergorene Stutenmilch.«
    »Kommst du jetzt endlich her, Jorinde? Die Nagelschere ist da in der Tasche.«
    »Gah.«
    »Der Kellner lächelt und notiert. ›Käseplatte‹, sagt Monsieur, ›unter anderem burgundischen Munster aus Ladoix und ein wenig mongolischen

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