Matzbachs Nabel
Schafskäse. Dazu einen guten Kalifornier, am liebsten den sechsundachtziger Cabernet von Eisele aus dem Chiles Valley bei St. Helena.‹ Der Kellner lächelt, notiert und geht.«
»Stielmus«, murmelte Jorinde. In der Küche hörte Matzbach das trockene Knirschen, wie es eine scharfe Schere in alten Zehennägeln erzeugt. Er verteilte den Inhalt der vier Thunfischdosen auf die acht mit Butter und Marmelade bedeckten Graubrotscheiben und drapierte jede mit einem wohlgeratenen Spiegelei.
»Nach und nach bringt der Kellner die Leckereien. Alles sieht aus wie das, was Monsieur bestellt hat, wo ist denn hier das Besteck? Und alles schmeckt gar wunderköstlich. Zum Kaffee, gereicht mit Quittenpaste in Bonbonform, präsentiert man Monsieur eine horrende Rechnung, die aber angesichts der Qualität und Exklusivität des Mahls preiswert wirkt.«
»Nun schneid doch nicht in den Zeh«, sagte Jorinde. »Das ist ziemlich rücksichtslos.«
»Er kann sich nicht mehr wehren«, knurrte Genenger.
»Dafür hat man gesorgt«, sagte Matzbach. Er belud ein gargantuanisches Tablett mit den drei großen Tellern, drei Bechern und dem nötigen Besteck.
»Wieso hat man dafür gesorgt?« Genenger klang interessiert.
»Es erscheint mir ungemütlich, um nichts Herberes zu sagen, wenn das Opfer eines Herzversagens voll angekleidet, mit Schuhen und allem, unter der Bettdecke liegt und rechts und links vom Bett Sitzmöbel stehen, die ihn am Besteigen oder Verlassen des Lagers hindern müßten. Wir sollten Yü fragen, ob das so war, als er ihn gefunden hat. Und den Hausarzt, ob Osiris ein schwaches Herz hatte.«
»Was denn noch?« sagte Genenger. »Keine Einstiche – niemand hat ihm Luft injiziert, wenn du das meinst.«
Matzbach hob das Tablett auf und scheiterte beim Versuch, aus der Küche in die Diele zu gelangen; das Tablett war zu breit für die Tür. Er nahm einen zweiten Anlauf, seitwärts tänzelnd.
»Ah, so geht’s. Ich serviere im Salon, wenn’s beliebt. Der Billardtisch ist frei. Sieh doch mal nach, ob du vielleicht ein Kissen mit Beißspuren entdeckst. Ach, die hätten sich längst verflüchtigt; wir werden also mit einer Hypothese ohne Beweis arbeiten müssen. Egal. Jedenfalls, Hände waschen. Und beim Bezahlen sagt Monsieur: ›Hören Sie, ich bin beeindruckt und zutiefst dankbar. Aber ist es noch nie jemandem gelungen, Sie mit einer umwegigen Bestellung zu foppen?‹ Der Kellner lächelt. ›Doch, Monsieur; einmal, kurz nachdem ich hier angefangen hatte.‹ Wo bleibt ihr?«
Jorinde erschien, ein wenig bleich, aber gefaßt. Sie nippte an ihrem Instant-Milchkaffee mit Zimt, nickte und riß dann die Augen auf. »Was ist das? Marmelade, Thunfisch, Spiegelei?«
Genengers Stimme, aus dem Bad, übertönte das Geräusch fließenden Wassers. »Wahrscheinlich hat er das Salz vergessen.«
Matzbach schnippte mit den Fingern. »Erwischt. ›Und zwar‹, sagt der Kellner, ›hat da spät abends ein Herr frisch amputierte Bayerneier auf Toast bestellt. Aber an dem Abend war uns das Brot ausgegangen‹.«
»Gah«, sagte Jorinde. Sie stand auf. »Da werf ich lieber noch nen Blick in den PC, als hier noch länger …«
Matzbach frühstückte gelassen zu Ende, räumte anschließend ab und ging auf leisen Sohlen ins Hauptgemach, wo Genenger an der Leiche zupfte und Jorinde, verzweifelt konzentriert, auf den grünlich flimmernden Bildschirm starrte. »Na? Was rauszukriegen?«
»Bisher null. Ich kann bloß drei Disketten finden. Auf einer hat er eine ziemlich wirre Sammlung von Zahlen und Stichwörtern für seine nächste Steuererklärung, alles völlig unsortiert. Die beiden anderen sind leer. Oder ich komm nicht ran. Die Festplatte genauso. Ich krieg immer nur keine Information oder falsches Suchwort oder so.« Sie hämmerte auf den Tasten herum, knurrte, stöhnte dann wieder und versuchte einen neuen Weg.
Matzbach ging zum Musikturm.
»Keinen ablenkenden Lärm, bitte«, fauchte Jorinde.
»Uh-uh-uh. Ich such nur was.«
»Ha.«
Genenger kicherte trocken, murmelte etwas Unverständliches und zerrte an den Ärmeln des feinen weißen Leichenhemds.
Matzbach wühlte in den LPs herum, nahm einige aus der Hülle, steckte sie wieder zurück, ächzte, zählte die CDs, zählte die MusiKassetten, ächzte abermals. Die Kassetten waren überaus ordentlich beschriftet; er nahm sie stapelweise heraus, überflog die Beschriftungen, machte mehrmals klackende Zungengeräusche.
»Wenn er da was versteckt hat, müßte man alle einzeln durchhören«,
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