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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Matzbach.
    »Gah«, sagte Jorinde.
    Sie holten den Zinksarg aus dem Wagen. Mit spitzigen Fingern schob Matzbach die ausgewählten Papiere unter das von Jorinde ausgewählte, von Genenger am Corpus befestigte Staatshemd des Toten. Dann seufzte er, band die Krawatte neu, die reichlich schräg und schäbig an Osiris’ Hals geprangthatte, und stopfte die Hemdschöße in die Totenhose. Jorinde sah mit verschränkten Armen weg, während er und Genenger den verblichenen Poeten vom Bett in den Zinksarg hoben. Nach mehrfachem Durchatmen schleppten sie das eherne Futteral zur Tür; Jorinde öffnete zuvorkommend.
    Neben Genengers Leichenbenz bremste eine dunkle Limousine gleicher Herkunft; ein zweiter Wagen – Audi 80 – bog vom Weg auf die Fläche vor dem Haus und hielt hinter dem Leichenwagen.
    Genenger und Matzbach bugsierten den Zinksarg über die Veranda, dann die Stufen hinunter und stellten ihn ab. Heinrich blickte auf seine Armbanduhr. »Zwanzig nach acht«, knurrte er.
    Matzbach lächelte sanft. »Hurtig, hurtig.«
    Jorinde lehnte sich an das Geländer der Veranda. »Was wird das, wenn es fertig ist?«
    Aus den Wagen stiegen nacheinander drei stämmige Herren mit ausdruckslosen Gesichtern; sie trugen ihre unauffälligen Anzüge wie Tarnkappen. Dann ein älterer Mann in zerknautschtem Zivil; er blinzelte, offenbar zu früh geweckt, und kam zum Haus. Dabei zog er etwas aus der Jackentasche, aber er sah so eindeutig nach einem Polizeibeamten aus, daß er die Hundemarke hätte steckenlassen können. Ihm folgte eine bläßliche, nervöse Frau in blassem Kostüm; als sie den Sarg erreichte, blieb sie stehen und murmelte einen unverständlichen Namen sowie ein eher zu ahnendes Wort: »Staatsanwaltschaft«.
    Als letzter, unrasiert und ungewaschen, stieg Flavius Dittmer aus dem Audi, sagte etwas zum Fahrer und kam dann ebenfalls zur Verandatreppe; er rieb sich die Augen, fand Spuren des Sandmanns und betrachtete das Korn an seinem Zeigefinger, ehe er es wegschnipste.
    »Hat dieses Massenaufgebot was zu sagen, Flavio?«
    Dittmer schaffte es irgendwie, Genenger anzusehen und gleichzeitig an ihm vorbeizublicken, ins Ungefähre. »Weiß ich auch nicht so genau. Die haben mich aus dem Bett geholt. Gefahr im Verzug, oder so.«
    Genenger verschränkte die Arme und trat gegen den Zinksarg; es ergab eher ein hohes Scheppern denn ein Dröhnen. Zwei der unauffälligen Herren standen inzwischen auf der Veranda und schirmten die Eingangstür ab; der Rest der Versammlung umringte den Sarg. Jorinde begann sich aus dem Zirkel zu lösen; während die Verhandlung fortschritt, ging sie langsam zum Leichenbenz und lehnte sich an den Kühler. Matzbach holte ein Zigarrenetui hervor, steckte sich etwas langes Dünnes in den Mund und zündete es an.
    »Polizei«, sagte Genenger, »Staatsanwaltschaft, Gemeindedirektion; und die drei Herren sind Verfassungsschutz, was? Sucht ihr hier Honecker oder Castro?«
    »Es gibt ernstzunehmende Hinweise darauf, daß sich in diesem Haus Unterlagen befinden, die geeignet sind, die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen.« Die Dame von der Staatsanwaltschaft redete schnell, tonlos und steif; beweglicher verwedelte sie dann eine Qualmwolke aus Matzbachs Zigarre.
    »Mich haben sie nur aus Höflichkeit zugezogen, weil ich mit Osiris ein bißchen befreundet war.« Dittmer klang müde, verlegen und als ob er lieber an einem behaglicheren Ort wäre.
    Der Polizeibeamte blickte zwischen Genenger, Dittmer und der Staatsanwältin hin und her. »Könnten wir vielleicht anfangen?« Seine Stimme war rauh, der Unterton herb. »Oder schulden wir hier jemand Rechenschaft?«
    Dittmer hob die Schultern, senkte den Blick und starrte auf den Zinksarg. Die Staatsanwältin wechselte ein paar unhörbareWorte mit dem dritten Verfassungsschützer. Genenger zupfte an seiner Nase.
    »Wer hat Sie denn alarmiert? Und wann?« sagte er.
    »Sie haben keine Fragen zu stellen.« Der Mann vom Verfassungsschutz hakte die Daumen in den Hosenbund und wippte auf den Zehenspitzen; Gesicht und Stimme blieben ausdruckslos. »Können Sie sich ausweisen? Was haben Sie hier zu suchen?«
    Dittmer seufzte. »Moment; das muß nun vielleicht nicht sein oder? Herr Genenger ist Bestatter; da drüben steht sein Wagen.«
    Der Polizeibeamte streckte eine Hand aus; Genenger runzelte die Stirn und langte in eine der Brusttaschen seines Hemds.
    »Bitte sehr. Ausweis. Geschäftskarte. Ein Zettel, auf dem der Tote verlangt, daß ich

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