Matzbachs Nabel
zählten jeweils ein Bündel durch; es waren 20.000 Pfund, 40.000 Dollar, 50.000 Schweizer Franken und 50.000 Mark.
»Feiner Notgroschen«, sagte Jorinde halblaut und sichtlich angeschlagen.
Matzbach keckerte. »Furchtbar, furchtbar, bei dem Währungsverfall. Ihr solltet aber wenigstens die Märklein schnell ausgeben oder wechseln; wir kriegen ja grade neue Scheine. Ich weiß nicht, wie lange die alten noch gültig sind. Insgesamt kein schlechter Fischzug. Seid ihr sicher, daß keiner von euch das vorher gewußt hat? Das wäre nämlich ein prima Mordmotiv.«
»Womit wir bei der letzten Frage wären.« Genenger blinzelte ihm zu. »Wenn die Miterben einverstanden sind, würde ich dich gern fragen, ob du übernehmen willst.«
»Gut überlegen«, sagte Pauly, ohne Matzbach anzusehen. Er inhalierte tief, hustete und betrachtete seine Zigarette. »Wenn er spinnt, ist es vertane Zeit, wenn er nicht spinnt, gefährlich.«
Matzbach steckte seine Zigarre hinter das rechte Ohr, das daraufhin Abstand von ihm nahm. »Gefährlich? Das Leben ist gefährlich; die meisten Leute sterben im Bett. Soll ich deswegen im Stehen schlafen? Bah. Die Frage ist – wollt ihr? Soll ich?«
Daniela nickte, Pauly hob die Schultern; Genenger sagte »Ja«, Jorinde murmelte »O nein.«
Yü deutete mit dem Zeigefinger auf Baltasar. »Alter Herr Matzbach – wie Konfuzius sagt, gelangt der Weise nie ans Ziel, läßt sich aber von dem törichten Versuch auch durch kluge Reden Dümmerer nicht abhalten.«
»Dann soll ich also. Hm. Gut, wenn ich wollen soll, möchte ich auch mögen wollen dürfen. Zur Frage des großzügig angebotenen Honorars: Wer mir Geld anbietet, darf sich nicht wundern, wenn ich es annehme. Es scheint ja genug davon zu geben. Hat hier einer Ahnung von Münzen?«
Zur allgemeinen Überraschung hob Pauly die Hand. »Ein bißchen. Mal sehen.«
Genenger schob ihm die drei Lederdöschen über den Tisch. Pauly öffnete sie und hielt eine Münze nach der anderen vorsichtig hoch. Nach gründlichem Studium legte er sie zurück.
»Nee. Stehen bestimmt im Katalog, weiß ich aber nicht so.«
»Mal sehen«, sagte Yü. Er nahm die Döschen, betrachtete die Münzen und reichte sie weiter. Nachdem alle sie bewundert hatten, sagte Matzbach:
»Gut denn. Auch auf das Risiko hin, mich zu irren, nehme ich die zwanzig Dollar. Wollt ihr die anderen vierteilen, oder soll ich die gleich mit verkaufen?«
Jorinde starrte ihn an. »Verkaufen?« Sie schnipste mit den Fingern. »Da war doch was, von wegen Zürich … Willst du nach Zürich, oder kennst du …?«
Matzbach kaute einen Moment auf der Unterlippe. »Gute Frage. Bevor ich sie beantworten kann, müssen wir aber noch was klären. Herr Holzbeschwörer, wie ist der Zustand der Dinger?«
Pauly prüfte alle drei Münzen noch einmal: eine Hundert-Francs-Münze des Kaisers Napoleon III., eine Fünf-Pfund-Münze der sehr jungen Königin Victoria, eine Zwanzig-Dollar-Münze der USA mit Adler und dem Spruch
IN GOD WE TRUST
.
»Drei perfekte Goldmünzen«, sagte er. »Die sind alle nie in Umlauf gewesen. Absolut makellos.«
»Gut zu wissen. Henri?«
»Anwesend.«
»Wissen ist Macht, wie wir wissen; nichts wissen macht auch nichts, wie man so sagt. Wissen kann aber auch gefährlich sein, wenn zum Beispiel jemand Wert drauf legt, daß andere von bestimmten Dingen nichts wissen.«
»So weit kann ich dir folgen.«
»Danke, Euer Anmutigkeit. Jetzt stellt sich mir die Frage, ob es klug wäre, die anderen Zettel, auf denen Osiris ja offenbar etwas notiert hat, was zu seiner finsteren Verschwörungsthese gehört, hier im Kreis herumgehen zu lassen.«
»Du meinst …?«
»Genau, das meine ich. Wenn was dran ist, könnte es ja sein, daß morgen früh einer kommt und wissen will, was ihr wißt.« Er blickte die anderen an. »Möglicherweise könnte es weniger gefährlich sein, nichts zu wissen. So daß sich die Frage stellt, ob die übrigen Zettel da verlesen oder gelesen werden sollen, oder ob es besser wäre, wenn …«
»Sei nicht albern, Herzchen.« Jorinde preßte die Lippen zusammen. »Heinrich hat’s eh schon gelesen, und ich will’s jedenfalls wissen. Wenn schon, denn schon.«
»Ich auch«, sagte Yü.
Daniela blickte ihn von der Seite an, irgendwie schräg von unten, obwohl ihr Kopf auf der gleichen Höhe war wie seiner. »Ich nicht, Felix. Ich glaub, du bist verrückt.«
Der alte Holzbeschwörer wollte auch nichts Genaues wissen. Genenger zögerte; dann lachte er.
»Vorschlag zur Güte.
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